SG #034: Das R

SG #034: Das R

Dorothy aus Peking hat mich gefragt, wie man das „R“ im Deutschen richtig ausspricht. Es ist schwer, das zu erklären. Ich versuche es trotzdem.

Im Süden Deutschlands spricht man das „R“ gerollt aus. Es klingt dann so wie in der spanischen oder italienischen Sprache. Dabei legt man die Zungenspitze an die Zähne und stößt Luft aus – so dass die Zunge leicht vibriert. Ich selber kann Euch das leider nicht vormachen – meine Mutter ist zwar aus Bayern und kann das „R“ rollen, aber ich bin nicht in Bayern aufgewachsen und habe es daher nicht gelernt.

Im Norden Deutschlands und vor allem im Hochdeutschen spricht man das „R“ anders aus. Hier wird es zwar auch gerollt, aber weiter hinten, fast schon im Hals. So spreche ich es auch aus: RRRRRRRR. Das ist auch das R, wie es im Französischen ausgesprochen wird.

Wenn Ihr also eine perfekte deutsche Aussprache haben wollt, müsst Ihr dieses zweite R lernen. Aber auch wenn Ihr das R rollt, wird Euch jeder verstehen – und vielleicht denken, Ihr wärt aus Bayern.

Den Unterschied beider Varianten möchte ich Euch noch demonstrieren. Dafür habe ich mir Verstärkung geholt. Ein Freund von mir, Hartmut, kann beide Varianten aussprechen. Ich habe ihn einige Wörter sagen lassen, und das hört Ihr jetzt:

XXX

Musik habe ich Euch heute extra passend zum Thema herausgesucht. Denn das Elisabeth Lohninger Quartett lässt beim Lied “Ob ich dich liebe” ganz schön das R rollen! Gefunden habe ich es beim Podsafe Music Network.

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SG #033: Die Autobahn

SG #033: Die Autobahn

Ralph ist Kanadier in der ersten Generation, das heißt seine Eltern kamen aus Deutschland nach Kanada und er ist dort aufgewachsen. Ihn interessiert, wie das in Deutschland mit der Fahrschule funktioniert und mit den Autobahnen.

Wir fangen an mit der deutschen Autobahn, die ja weltweit bekannt ist. Die erste offizielle Autobahn wurde 1932 eingeweiht. Die meisten Amerikaner sind enttäuscht, wenn sie das erste Mal eine Autobahn sehen. Denn verglichen mit den Freeways oder den großen, zehnspurigen Straßen in Los Angeles sind Autobahnen eher winzig.

Eine Autobahn ist eine Straße in beide Richtungen. Jede Richtung hat mindestens zwei Spuren. In der Mitte sind die beiden Richtungen getrennt, entweder durch Betonmauern oder durch Leitplanken aus Stahl. Wenn ein Auto übrigens trotzdem auf der falschen Seite in die falsche Richtung fährt, meistens geschieht das aus Absicht als Mutprobe, oder als Selbstmordversuch, manchmal sind es aber auch einfach verwirrte Menschen, dann nennt man diese Fahrer Geisterfahrer. Autobahnen sind meistens so konstruiert, dass man weder enge Kurven hat noch große Höhenunterschiede, sofern sich das machen ließ. Wenn zu viel los ist, vor allem in der Urlaubszeit, dann ist Stau auf der Autobahn. Dann stehen die Autos mehr als dass sie fahren.

Auf einer Autobahn gibt es eine Mindestgeschwindigkeit. Man muss also mindestens ein Fahrzeug haben, das 60 Kilometer pro Stunde oder schneller fahren kann. Radfahrer dürfen also selbstverständlich nicht auf die Autobahn, kleine Vesparoller oder ähnliches auch nicht. Ursprünglich hatte die Autobahn kaum eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Man durfte also so schnell fahren, wie man wollte. Mittlerweile hat sich das an vielen Stellen geändert, die Geschwindigkeit ist dort festgelegt und man darf nicht schneller als zum Beispiel 120 km/h fahren. Grund für die Begrenzung ist die Sicherheit – wenn ein Auto 210 fährt und das andere 100, dann kann es leichter zu Unfällen kommen als wenn beide ungefähr gleich schnell – oder langsam – fahren. Ein Drittel des deutschen Verkehrs läuft über die Autobahn. Hier sind auch die meisten Lastwagen unterwegs. Sie müssen bezahlen, um auf der Autobahn fahren zu dürfen. Selten hat eine Autobahn mehr als drei Spuren.

Da die Autobahn auch viel für den Fernverkehr genutzt wird, also für Menschen, die weite Strecken zurücklegen müssen, gibt es Raststätten. Man fährt also kurz neben die Autobahn um etwas zu Essen oder zu Tanken. Es gibt sogar Autobahnkirchen. Und wisst Ihr, was der Bau einer Autobahn kostet? Pro Kilometer 26,8 Millionen Euro. Am teuersten ist die Planung, die normalerweise rund 20 Jahre lang dauert. Dann braucht man Ingenieure, die mithelfen und beraten, und der Bau selbst kostet 6,7 Millionen Euro. Wenn Ihr mal in Deutschland seid und Ihr sucht eine Autobahn, sucht nach blauen Schildern mit weißer Schrift.

Zum Schluss wie immer ein wenig Musik, diesmal der Gema-Song von den Reeperboys.

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SG #032: Wohnungen mieten

SG #032: Wohnungen mieten

Timo aus Finnland zieht im Herbst nach Deutschland. Er hat mich gefragt, wie man hier eine Wohnung findet. Ich bin ja selber gerade erst umgezogen, daher werde ich versuchen, es zu erklären.

Am einfachsten ist es natürlich über Mundpropaganda. Das heißt man hört über Freunde oder die Familie, dass irgendwo eine Wohnung frei wird. Aber so funktioniert das eben nicht immer. Also muss man entweder in Tageszeitungen eine Anzeige aufgeben oder die Anzeigen im Immobilienmarkt lesen, also in dem Teil der Zeitung, in dem es um Wohnungen und Häuser geht. Oder man sucht im Internet, die größte Börse ist hier immobilienscout24.de.

In Deutschland misst man die Größe einer Wohnung erstmal in Zimmern. Eine 2-Zimmer-Wohnung heißt also, man hat Küche, Bad und zwei Zimmer. Bei einer 4-Zimmer-Wohnung hat man Küche, Bad und vier Zimmer. Aber Vorsicht: Oft ist die Küche leer. Das bedeutet, es gibt zwar einen Raum für die Küche, aber es gibt dort keine Möbel, keine Geräte. Der Raum ist leer. Man muss also oft noch viel Geld investieren und eine komplette neue Küche kaufen, wenn man eine Wohnung mieten will. Ihr werdet oft die Abkürzung EBK sehen, das bedeutet Einbauküche. Wenn das also bei einer Anzeige dabeisteht, bedeutet das, die Wohnung hat eine Küche.

Die Größe einer Wohnung wird natürlich auch in Quadratmetern gemessen. Wobei es einen Unterschied gibt: Wenn zum Beispiel ein großer Balkon oder eine Terrasse dabei sind, dann werden diese Flächen nicht ganz mitgezählt. Wer also 30 Quadratmeter Terrasse hat, bei dem wird das als 15 Quadratmeter Nutzfläche berechnet. Kompliziert, oder?

Noch zwei wichtige Unterschiede: Kaltmiete und Warmmiete. Bei der Warmmiete ist alles inklusive. Das ist also der Betrag, den man wirklich an den Vermieter zahlen muss. Normalerweise steht in Anzeigen aber nur die Kaltmiete. Zur Kaltmiete hinzu kommen die so genannten Nebenkosten. Das sind Kosten für die Müllabfuhr, das Wasser, die Heizung, manchmal auch für die Beleuchtung des Hauses oder den Kabelanschluss. Stromkosten und Telefonkosten zahlt man normalerweise direkt an die Strom- oder Telefonkonzerne, das hat mit dem Vermieter nichts zu tun.

Wenn man dann im Internet oder in einer Zeitung eine Wohnung gefunden hat, macht man einen Besichtigungstermin. Manchmal organisiert diese Termine der Vermieter selber. Normalerweise aber übernimmt das ein Makler. Man darf sich also die Wohnung ansehen und Fragen stellen. Oft ist die Konkurrenz groß, vor allem in Städten wie München. Viele Menschen wollen die Wohnung haben, und der Vermieter kann sich für einen Mieter entscheiden. Damit ihm diese Entscheidung leichter fällt, verlangt er meist eine so genannte Selbstauskunft. Das ist ein Blatt Papier, ein Formular, auf dem der potenzielle Mieter Informationen über sich selbst ausfüllt. Welchen Beruf er hat, wieviel Geld er verdient, wo er vorher gewohnt hat, manchmal sogar ob er ein Instrument spielt (wegen der Lautstärke) oder nicht. Wenn dann alles in Ordnung ist, kann man den Mietvertrag unterschreiben.

All das ist natürlich mit Kosten verbunden. Der Makler verlangt eine so genannte Provision. Diese darf bis zu 2,38 Monatsmieten hoch sein. Das heißt, angenommen die Miete kostet 1000 Euro Miete, dann zahlt man 2380 Euro an den Makler. Der Vermieter verlangt dann noch eine Kaution. Meistens sind das auch drei Mal die Kaltmiete – also in unserem Fall auch rund 3000 Euro. Wenn dann noch eine Küche bereits eingebaut ist, oder zum Beispiel ein Einbauschrank, verlangt der Vormieter eine Ablöse. Man kauft ihm also die Küche und den Schrank ab. Kein Wunder, dass die Deutschen nicht so gerne umziehen, oder?

Damit man versteht, was in Wohnungsanzeigen steht, ist diese Liste aus der Wikipedia sehr nützlich, mit allen Abkürzungen: Abkürzungen bei Wohnungsanzeigen

Und wieder deutsche Musik zum Schluss, diesmal von Störte Priester das Stück „Heiliges Kind“, die neue CD der Band ist ab 1. August auf dem Markt.

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SG #031: Das politische System

SG #031: Das politische System

Fernando aus Brasilien interessiert das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Ich werde versuchen, es so einfach wie möglich zu erklären. Dennoch wird diese Folge von Slow German sehr kompliziert und schwer zu verstehen. Aber glaubt mir: Auch viele Deutsche kennen das politische System nicht!

Zunächst einmal zur Struktur von Deutschland: Deutschland besteht aus 16 Bundesländern. Die Bundeshauptstadt ist Berlin. Gegründet wurde die Bundesrepublik am 24. Mai 1949, also vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Oktober wurde die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, also der DDR, in Kraft gesetzt. Seit dem 3. Oktober 1990 ist Deutschland wiedervereinigt, also wieder ein Land. An diesem Tag wird daher jedes Jahr der „Tag der deutschen Einheit“ gefeiert.

Folgende wichtige Begriffe werde ich nun erklären: Bundestag, Bundesrat, Kanzler, Präsident.

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer, sozialer Bundesstaat, genauer gesagt eine parlamentarische Demokratie. Sie ist auch ein föderaler Rechtsstaat. Es gibt die Bundesebene und die Landesebene. Die einzelnen Bundesländer haben eigene Verfassungen. Wobei die Verfassung der BRD das Grundgesetz ist. Das heißt: Jedes Bundesland hat zwar eigene Gesetze, das Grundgesetz ist aber im Zweifelsfall das entscheidende. Ein einfaches Beispiel: In manchen Bundesländern steht in der alten Verfassung noch drin, dass es die Todesstrafe gibt. Laut der deutschen Verfassung gibt es sie aber nicht mehr. Also existiert sie in Deutschland nicht.

Das Staatsoberhaupt ist der Bundespräsident. Er hat aber vor allem repräsentative Aufgaben, politisch gesehen ist er also nicht sehr wichtig. Gewählt wird er alle fünf Jahre, und zwar von der Bundesversammlung. Dies ist die einzige Aufgabe der Bundesversammlung. Die Bundesversammlung setzt sich zusammen aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages und einer gleichen Zahl von anderen Mitgliedern aus dem ganzen Land. Bei der letzten Wahl waren es 1205 Mitglieder. Ein einziges Mal darf der Bundespräsident wiedergewählt werden, dann wäre er also 10 Jahre im Amt. Die nächste Wahl findet am 23. Mai 2009 statt. Der momentane Bundespräsident heißt Horst Köhler, und eine weitere Kandidatin ist eine Frau – Gesine Schwan. Angeblich verdient der Bundespräsident 199.000 Euro pro Jahr (2007).

Der Regierungschef ist der Bundeskanzler. Er wird vom Bundestag gewählt. Vorher hat ihn der Bundespräsident vorgeschlagen. Der Kanzler – oder wie momentan die Kanzlerin, denn unsere Chefin ist Angela Merkel – schlägt dann die Bundesminister vor. Kanzler und Minister sind dann die Bundesregierung. Manchmal wird die Bundesrepublik Deutschland auch als Kanzlerdemokratie bezeichnet, weil der Kanzler eine sehr starke Stellung hat. Ein Kanzler kann beliebig oft wiedergewählt werden. Helmut Kohl war am längsten deutscher Kanzler: Von 1982 bis 1998, also 16 Jahre lang. Die Kanzlerin verdient angeblich rund 240.000 Euro im Jahr.

Zwei wichtige Institutionen muss ich noch erklären – manchmal werden sie von vielen Deutschen verwechselt. Es gibt den Bundestag und den Bundesrat. Der Bundestag ist das Parlament. Er wird direkt vom Volk gewählt. Eine so genannte Legislaturperiode, also die Zeit, in der der Bundestag in mehr oder weniger gleicher Zusammensetzung Politik macht, dauert in der Regel vier Jahre. Momentan gibt es im Bundestag 612 Abgeordnete aus allen Bundesländern. Der Bundestagspräsident ist momentan Norbert Lammert. Der Bundestag schafft das Bundesrecht und ändert die Verfassung. Er kann auch internationale Verträge mit anderen Staaten genehmigen und beschließt den Bundeshaushalt, also die Finanzen des Landes. Er wählt wie vorhin schon gesagt den Bundeskanzler und kontrolliert den Einsatz der Bundeswehr, also des Militärs.

Der Bundesrat dagegen hat andere Aufgaben: Hier sind Mitglieder aller Bundesländer vertreten. Jedes Bundesland hat drei bis sechs Sitzplätze, je nach Einwohnerzahl. Sie können so bei der Gesetzgebung auf Bundesebene mitwirken. Der Bundesrat hat momentan 69 Mitglieder und kann nicht abgeschafft werden.

Zum Schluss, auch wenn es bis hierhin schon sehr kompliziert war, noch ein Wort zu den deutschen Parteien. Die größten Parteien in Deutschland sind die SPD und die CDU/CSU. Die SPD ist die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Der letzte Kanzler, Gerhard Schröder, war von der SPD. Die Farbe der SPD ist Rot. Die CSU gibt es nur in Bayern, sie hat sich mit ihrer Schwesterpartei CDU zusammengetan. Die Farbe der CDU/CSU ist Schwarz, die Abkürzung steht für Christlich-Demokratische Union beziehungsweise Christlich-Soziale Union. Die beiden großen Parteien haben eine Koalition gebildet und regieren momentan gemeinsam. Kleinere Parteien sind die FDP (gelb), die oft als Liberale bezeichnet werden, und Die Grünen (grün), die es erst seit 1980 gibt und die sich zu Beginn ihrer Zeit vor allem für die Umwelt eingesetzt haben. Erst seit einem Jahr gibt es „Die Linke“, eine sehr umstrittene Partei.

So, das war also das komplizierte Thema Politik, besser gesagt das politische System von Deutschland. Im Alltag merkt man das als Deutscher so: Man darf wählen gehen und wählt Mitglieder des Bundestages oder des Landtages. Dann wartet man, bis der Kanzler gewählt wird. Oft wird kritisiert, dass wir den Kanzler nicht direkt wählen dürfen – aber das ist ja in vielen Ländern so.

Zum Abschluss noch etwas Musik, und zwar von Markus Kaes, gesungen von Judith Jahn. Der Song heißt „Schon wieder“.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg31kurz.pdf

SG #030: Hochzeit

SG #030: Hochzeit

Im Sommer heiraten besonders viele Paare. Deswegen habe ich mir gedacht ich erzähle Euch heute etwas über Hochzeiten in Deutschland. Die beliebtesten Monate sind Mai und Juni, aber auch in den anderen Monaten finden viele Hochzeiten statt. Vor der Heirat steht die Verlobung. Sie ist in Deutschland viel weniger wichtig als beispielsweise in den USA. Es gibt weder einen großen Diamantring, noch eine große Feier.

Wer in Deutschland heiraten möchte, der muss in erster Linie eine Menge Papierkram erledigen. Also Dokumente vorweisen bei den staatlichen Behörden. Wenn das erledigt ist, kann man standesamtlich heiraten. Man geht also an einem vereinbarten Termin zum Standesamt, und dort wird man vom Staat verheiratet. Meist geht das sehr schnell. Der Standesbeamte, der die Zeremonie leitet, spricht aber dennoch einige Worte, um das Paar auf eine gemeinsame Zukunft einzustimmen.

Es gibt verschiedene Standesämter. Manchmal sind das nur relativ offizielle Büroräume, ohne Schmuck. Manchmal sind es aber auch alte Rathaussäle, kleine Schlösser oder man kann auch auf Burgen oder auf Inseln heiraten. Deutsche heiraten aber fast immer in Gebäuden. Hochzeiten im Freien, wie sie in Amerika üblich sind, gibt es hier kaum. Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Wetter einfach zu schlecht ist.

Zur Heirat im Standesamt braucht man nur als Paar anwesend sein. Früher war es Pflicht, Trauzeugen zu haben. Das waren zwei Menschen, die dem Paar nahe standen und die als Zeuge bei der Trauung anwesend waren. Heute ist das gesetzlich nicht mehr vorgeschrieben. Wer möchte, kann nach der standesamtlichen Trauung auch noch einmal kirchlich heiraten. Wer zum Beispiel katholisch ist, der heiratet dann in einer katholischen Kirche noch einmal. Da die meisten Deutschen aber nicht sehr religiös sind, ist ihnen die kirchliche Trauung eher wichtig, weil es hier um ein feierliches Ritual geht. In der Kirche gibt es festliche Musik, die Braut trägt ein schönes weißes Kleid, und alle Freunde und Verwandten können dabei sein.

Wie groß eine Hochzeit ist, bleibt dem Brautpaar überlassen. Natürlich gibt es Feiern mit über 100 Gästen, aber viele Paare ziehen es vor, in kleinem Kreis zu feiern. Häufig ist es auch so, dass man nur mit wenigen Gästen die eigentliche Hochzeit feiert – und später dann ein großes Fest feiert mit allen anderen Freunden und Verwandten.

Oft ist es so, dass am Samstag Vormittag im Standesamt geheiratet wird, und danach in der Kirche. Es gibt aber auch viele Paare, die zwischen beiden Trauungen Monate oder sogar Jahre vergehen lassen. Völlig unüblich ist es, mehrere Trauzeugen zu haben, so wie in den USA. Auch das „Rehearsal Dinner“ gibt es nicht. Stattdessen gibt es einen Polterabend, bei dem man den letzten Single-Abend des Paares feiert. Dabei wird Geschirr zerbrochen, das das Paar dann zusammenkehren und aufräumen muss. Scherben sollen Glück bringen.

Nach der Eheschließung im Standesamt oder in der Kirche wird natürlich noch gefeiert. Man isst zusammen, tanzt und freut sich mit dem Brautpaar. Wichtig ist der erste Tanz von Braut und Bräutigam, der erste Walzer, den sie gemeinsam tanzen. Dabei sehen ihnen alle zu, um danach aber mitzutanzen. Ein Brauch ist es auch, gemeinsam die Hochzeitstorte anzuschneiden. Es gibt viele verschiedene Rituale und Bräuche. Manchmal sägen Braut und Bräutigam gemeinsam einen Baumstumpf ab – Teamwork sozusagen. Viele Feiern gehen bis weit nach Mitternacht, und wenn das Brautpaar nicht gleich in die Flitterwochen fährt, feiern sie bis zum Ende mit.

Die Deutschen heiraten sehr spät. 2004 war ein deutscher Mann statistisch gesehen im Durchschnitt 36 Jahre alt bei der Heirat. Die Frau war 33 Jahre alt. Übrigens scheitert in Deutschland ungefähr jede dritte Ehe. Das heißt, dass von drei Ehepaaren sich eines scheiden lässt.

Passend dazu habe ich Euch heute Musik mitgebracht, und zwar „Die große Liebe ist vorbei“ von Marc Loehrwald, gefunden im Podsafe Music Network.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg30kurz.pdf

SG #029: Das Leben der Anderen

SG #029: Das Leben der Anderen

Ich möchte Euch heute ausnahmsweise mal einen deutschen Film vorstellen, den Ihr Euch anschauen solltet. Er heißt „Das Leben der Anderen“, und wurde mit einem Oscar ausgezeichnet. Ich möchte Euch deswegen von ihm erzählen, weil er einen wichtigen Teil der deutschen Geschichte zeigt.

Im Mittelpunkt des Dramas steht Gerd Wiesler. Er ist Hauptmann bei der Stasi. Die Stasi war das Ministerium für Staatssicherheit in der DDR, der Deutschen Demokratischen Republik. 1984 bekommt Gerd Wiesler in Ost-Berlin den Auftrag, einen Theaterschriftsteller zu bespitzeln. Er soll ihn also belauschen wie ein Spion. Wiesler sitzt also auf dem Dachboden, hat Kopfhörer auf und hört, was in der Wohnung des Schriftstellers alles passiert. Was führt dieser im Schilde? Plant er Aktivitäten gegen das DDR-System?

Je länger Wiesler den Schriftsteller und seine Freundin belauscht, desto mehr verwandelt er sich. Er empfindet Sympathie für diese Menschen, er will sie schützen und ihnen nicht schaden. Dadurch begibt er sich selbst in Gefahr. Wie der Film ausgeht, erzähle ich Euch nicht. Aber ich kann Euch sagen, dass es einer der besten Filme ist, die ich gesehen habe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die besten deutschen Schauspieler in diesem Film spielen. In der Hauptrolle des Gerd Wiesler ist Ulrich Mühe zu sehen, der leider kurz nach der Oscarverleihung an Krebs gestorben ist. Sebastian Koch und Martina Gedeck sind das bespitzelte Paar.

Der Film ist spannend und emotional erzählt, und hinter der Geschichte steckt ein Mann namens Florian Henckel von Donnersmarck. Er hat das Drehbuch geschrieben. Die Idee dazu hatte er bereits auf der Filmhochschule, um es dann aber zu schreiben zog er sich in ein Kloster zurück, damit er völlige Ruhe hatte. Donnersmarck führte auch Regie bei diesem Film, der 2006 in Deutschland in die Kinos kam. Obwohl der Film nur 1,8 Millionen Euro gekostet hat und somit ein Low-Budget Film war, hatte er enormen internationalen Erfolg. Mehr als zwei Millionen Menschen haben ihn allein in Deutschland im Kino gesehen.

Link zum Trailer: hier
Oder: hier

So, jetzt gibt es wieder Musik, und zwar von Brackwasser „Salz in deinen Augen“. Gefunden im Podsafe Music Network.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg29kurz.pdf

SG #028: Kleidung

SG #028: Kleidung

Barbara hat mir eine Mail geschrieben. Sie reist im Juli nach Deutschland und möchte nicht als Touristin auffallen. Sie ist 50 Jahre alt und fragt, ob sie Jeans tragen kann, oder ob sie einen Rock anziehen soll. Ich finde es toll, dass sie sich über so etwas Gedanken macht! Also werde ich in dieser Folge über Kleidung sprechen. In der Umgangssprache kann man Kleidung auch Klamotten nennen.

Früher gab es einen großen Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland, was Kleidung angeht.  Heute ist dieser Unterschied viel kleiner geworden. Überhaupt werden die Unterschiede immer kleiner, weil es in jeder Stadt die gleichen Geschäfte gibt. Der Grund dafür ist die Globalisierung – viele Läden sind Ladenketten. Also gibt es in jeder Stadt einen C&A, H&M, Benetton oder Esprit. Weil viele Deutsche ihre Kleidung über das Internet bestellen, sehen auch die meisten Deutschen ähnlich aus.

Generell gibt es wenige Regeln, was die Kleidung angeht. Schuluniformen gibt es in Deutschland nicht, Kinder können anziehen, was sie wollen. Teenager tragen natürlich sehr modische Kleidung – die Jungs mögen Baggy Pants, momentan tragen alle auch wieder Chucks an ihren Füßen. Das sind diese Basketball-Schuhe von Converse. Auch Leggings sind wieder in Mode. Es sieht momentan alles so aus wie in den 80er-Jahren.

Junge Erwachsene kleiden sich unterschiedlich, je nachdem ob sie auf dem Land wohnen oder in der Stadt. Es spielt auch eine Rolle, was sie beruflich machen. Wer im Büro arbeitet, trägt natürlich sehr offizielle Kleidung. Männer tragen einen Anzug, Frauen entweder einen Hosenanzug oder ein Kostüm (also ein Jackett und einen Rock). Zu Jackett kann man übrigens auch Blazer oder Sakko sagen. In den Großstädten sind viele Menschen modisch gekleidet. In Berlin sieht man viele sehr „schräge“ Outfits, die Frauen haben dort oft einen sehr individuellen, kreativen Stil. Ansonsten haben sehr viele Menschen einfach Jeans und T-Shirts an, das ist immer in Ordnung im Alltag.

Ich kann aber sagen, was hier eher unüblich ist und was die Deutschen zum Beispiel von Amerikanern unterscheidet. Fangen wir an mit alten Menschen. In den USA haben viele alte Menschen Jeans an und tragen Baseball-Kappen. Das macht in Deutschland niemand. Alte deutsche Frauen – und damit meine ich Frauen ungefähr ab 75, tragen in den meisten Fällen Röcke. Junge Frauen seltener. Hosen sind praktischer, deswegen tragen viele junge Frauen Hosen.

Mir fallen amerikanische Touristen oft dadurch auf, dass sie weiße Socken tragen. Tennissocken. Und dazu weiße Turnschuhe. Das macht kaum ein Deutscher. Hier trägt man eher dunkle Schuhe. Viele Touristen fallen auch durch ihre Taschen auf, oder durch ihre Fotoapparate. Und sie kaufen gerne Sweatshirts, wo groß „University of Harvard“ draufsteht oder „Hofbräuhaus München“. Aber das ist alles nicht schlimm. Was mich stört: Touristen benehmen sich oft sehr laut – das trifft aber auch auf Deutsche im Ausland zu. Mein Tipp daher: Jeans und T-Shirt ist tagsüber in Ordnung, im Sommer wenn es heiß ist auch gerne ein Kleid oder ein Rock. Aber auch dazu darf man bequeme Schuhe tragen, denn als Tourist in Deutschland muss man viel zu Fuß gehen.

Der Sommer kann in Deutschland sehr wechselhaft sein. Mal ist es kalt und es regnet, dann scheint wieder die Sonne und es ist heiß. Daher empfehle ich allen Besuchern den so genannten Zwiebellook. Ein T-Shirt, einen Pullover, eine leichte Jacke und eventuell noch ein Regencape dabeihaben. Das ist das perfekte Touristenoutfit. So kann man auch in Museen gehen oder in Kirchen, und es ist kein Problem. Und immer dran denken: In Deutschland gibt es noch nicht so viele Gebäude mit Klimaanlage wie in den USA! Es kann also auch drinnen richtig warm werden.

Einen Unterschied gibt es allerdings noch zwischen USA und Deutschland: Während es in Amerika niemanden stört, dass man in Bermuda-Shorts in ein Fünf-Sterne-Hotel geht, wäre das in Deutschland undenkbar. Wer hier in ein teures Hotel oder ein teures Restaurant geht, sollte sich entsprechend elegant und teuer kleiden.

Ich finde es wichtig, dass man sich in seiner Kleidung wohl fühlt. Dann hat man eine selbstsichere Ausstrahlung und andere Menschen werden solch einen Touristen bestimmt sympathisch finden. Und falls Du gerne einkaufen gehst, liebe Barbara, dann geh doch in Deutschland shoppen und suche Dir typisch europäische Kleidung! Viel Spaß wünsche ich Dir auf Deiner Reise!

Musik habe ich auch wieder mit dabei, und zwar diesmal von Simon Saiz das Stück „Echte Liebe – wenn der Mond lacht“ vom Podsafe Music Network.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg28kurz.pdf

SG #027: Deutscher Alltag

Robert hat gefragt, wie der typische Tag eines Deutschen aussieht. Das ist schwer zu sagen, aber ich werde es einmal versuchen! Der Tag beginnt für viele Deutsche erst einmal mit dem Wecker. Der läutet ziemlich früh, meist so gegen sieben Uhr. Dann wird geduscht, man zieht sich an. Weiter geht es mit einem Frühstück. Auf dem Tisch stehen Kaffee oder Tee, Müsli oder Brötchen mit Marmelade. Wer Zeit hat, liest noch ein wenig Zeitung oder hört Radio nebenbei, dann geht es entweder ins Auto oder in den Bus oder Zug. Damit fährt man in die Arbeit, und die meisten Deutschen fangen gegen acht Uhr an zu arbeiten. Natürlich gibt es Berufe, bei denen man später anfängt, zum Beispiel in den Medien. Auch die Geschäfte machen erst gegen zehn Uhr auf. Und natürlich gibt es auch Berufe, bei denen man früher anfangen muss – Bäckereien beispielsweise öffnen meist schon gegen sieben Uhr ihre Türen.

Gearbeitet wird dann im Normalfall bis zwölf Uhr. Um zwölf Uhr ist Mittagszeit und man geht in eine Kantine, um etwas zu essen. Kantinen sind in großen Firmen Restaurants für die Mitarbeiter, die billiger sind als normale Restaurants. Oder man holt sich irgendwo einen Snack. Manche Menschen nehmen sich auch von zu Hause Essen mit. Die Mittagspause dauert eine halbe bis eine Stunde lang. Danach geht es weiter in der Arbeit, und um sechs Uhr abends haben viele Leute dann Feierabend und fahren nach Hause. Auch hier gibt es natürlich wieder Unterschiede, manche arbeiten auch bis spät nachts.

Zum Alltag der meisten Deutschen gehört es auch, im Stau zu stehen. Denn weil viele Leute zur gleichen Zeit anfangen zu arbeiten, verstopfen die Autos die Straßen. Also braucht man viel Geduld. Dieses Problem haben natürlich jene Pendler nicht, die mit dem Zug oder dem Bus in die Arbeit fahren, aber auch die öffentlichen Verkehrsmittel sind zu bestimmten Stoßzeiten völlig überfüllt.

Abends wird in den meisten deutschen Familien eher kalt gegessen, also beispielsweise belegte Brote. Deswegen heißt das Abendessen im Deutschen auch Abendbrot. Manche Deutsche gehen gleich nach der Arbeit noch in ein Fitnessstudio oder machen draußen Sport, gehen beispielsweise Joggen oder Schwimmen. Um acht Uhr abends kommt dann die Tagesschau, die berühmteste deutsche Nachrichtensendung im Fernsehen. Viele Deutsche informieren sich so darüber, was während des Tages passiert ist. Und dann geht es nach ein bißchen Fernsehen auch schon ab ins Bett.

Am Samstag erledigen viele Deutsche dann die Dinge, die sie während der Woche nicht geschafft haben. Da die Geschäfte um 20 Uhr schließen, also um acht Uhr abends, schaffen es viele Deutsche nicht, während der Woche beispielsweise zur Reinigung zu gehen. Das machen sie am Wochenende. Oder sie putzen das Auto, oder sie gehen einkaufen. Der Sonntag ist der klassische Familientag, man trifft Freunde oder Verwandte, isst Kuchen am Nachmittag und trinkt Kaffee, oder man macht einen Ausflug.

Das war jetzt mal ein Standard-Tag, oder eine Standard-Woche. Aber es kann auch anders aussehen. Ich zum Beispiel bin Freiberufler, ich arbeite zu Hause und habe keine festen Arbeitszeiten. Das bedeutet, ich stehe erst zwischen acht und neun Uhr auf, erledige tagsüber den Haushalt und arbeite an verschiedenen Aufträgen. Abends koche ich, und dann gehe ich oft mit Freunden ins Kino. Oft arbeite ich danach noch weiter, manchmal bis drei Uhr früh. Auch am Wochenende arbeite ich oft, aber das stört mich nicht. Dafür kann ich flexibel sein und beispielsweise am Dienstag tagsüber auch mal ins Yoga gehen. Oder für Euch eine neue Folge Slow German machen…

Der Song heißt heute „Bei eBay“ und ist von „Ricky ganz allein“. Gefunden habe ich ihn im Podsafemusicnetwork.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg27kurz.pdf