SG #100: Sissi und König Ludwig II.

SG #100: Sissi und König Ludwig II.

Kaiserin_Elisabeth_-_Franz_Xaver_Winterhalter,_1865

Heute möchte ich Euch von zwei Adeligen erzählen. Kennt Ihr Sissi? Hier in Deutschland kennt sie jeder. Sissi war eine Frau, die von 1837 bis 1898 gelebt hat. Sie wurde Kaiserin von Österreich. Aber langsam, ich erzähle Euch kurz ihre Geschichte.

Sissi hieß eigentlich Elisabeth. Sie wurde am Heiligabend 1837 geboren, und zwar in München. Bayern war damals ein Königreich, und Sissi war eine Prinzessin. Ihr Opa war der König von Bayern. Als Sissi 15 Jahre alt war, lernte sie den Kaiser von Österreich kennen, der eigentlich ihr Cousin war und ihre ältere Schwester heiraten sollte. Tja, so war das in Adelskreisen. Der Kaiser Franz-Josef entschied sich für Elisabeth und sie heirateten. Elisabeth wurde Kaiserin von Österreich und später auch Königin von Ungarn.

Das Paar bekam drei Töchter, von denen eine noch als Kleinkind starb, und einen Sohn. Das war natürlich wichtig für den Kaiser, denn nur ein Sohn konnte Thronfolger werden. Rudolf und seine Schwester wurden hauptsächlich von der Oma und natürlich von Dienstmädchen aufgezogen und betreut. Ihr Sohn Rudolf nahm sich als junger Mann das Leben. Elisabeth wurde von einem Anarchisten getötet – er stieß ihr auf einer Reise eine Feile ins Herz.

Warum nun kennt jeder die Geschichte der Sissi? Nicht wegen ihrer legendären Haarpracht, nicht wegen ihrem modernen Fitness-Kult, auch nicht wegen ihrer tragischen Geschichte. Sondern, weil ihr Leben in den 50er-Jahren verfilmt wurde. Die wunderbare Schauspielerin Romy Schneider spielte Sissi, und zwar in drei aufwändig gedrehten Kostümfilmen. Mit der Realität hatten diese Filme wenig zu tun, aber sie waren romantische Märchen, und diese Filme kennt noch heute zumindest fast jede Frau. Schaut mal bei YouTube nach, vielleicht findet Ihr Ausschnitte aus dem Film. Ich stelle Euch auch einen Link auf slowgerman.com. (http://www.dailymotion.com/video/x20p7yh_sissi-1955_shortfilms)

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Die zweite Figur, die ich Euch heute vorstellen möchte, ist König Ludwig II. Er war ein Cousin von Sissi und wurde 1845 in einem Schloss geboren, das heute zu München gehört. Um Ludwig ranken sich viele Geschichten. Er soll homosexuell gewesen sein, was natürlich damals für einen König unmöglich war. Psychische Probleme sollen ihn gequält haben, er wurde sogar zwei Jahre vor seinem Tod entmündigt, weil er angeblich nicht mehr in der Lage war, die Amtsgeschäfte zu führen. Sein Tod selbst gibt die meisten Rätsel auf: Er ertrank mit seinem Arzt in einem See. An einer sehr seichten Stelle.

König Ludwig II. gilt als Märchenkönig. Der Wagner-Fan muss ein Träumer gewesen sein, ein Mensch der in unserer Zeit wahrscheinlich ein viel schöneres und freieres Leben geführt hätte als damals. Hier in Bayern sieht man sein Bild nach wie vor auf Postkarten und Gemälden. König Ludwig II. ist beliebt bei den Leuten.

Aber woher kennt Ihr ihn? Ganz einfach: König Ludwig ließ viele Schlösser bauen, zum Beispiel auch das weltberühmte Schloss Neuschwanstein. 1,3 Millionen Touristen besuchen dieses Schloss jedes Jahr. Durch König Ludwig ist Bayern zum Touristenmagneten geworden, und dafür sind wir ihm natürlich sehr dankbar. Nur mit dem Oktoberfest hat er nichts zu tun – aber er war fünf Mal dort zu Gast.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg100kurz.pdf

SG #099: Migration

SG #099: Migration

Viele von Euch haben mich gefragt, wie es in Deutschland mit Ausländern aussieht. Zunächst einmal hat es in den vergangenen Jahren einen sprachlichen Wandel gegeben: Kaum jemand sagt noch Ausländer, da dieses Wort mittlerweile negativ belegt ist. Politisch korrekt heißt es jetzt „Menschen mit Migrationshintergrund“. Darüber haben sich viele schon lustig gemacht. Ich erzähle Euch jetzt mal, wie viele verschiedene Kulturen in Deutschland leben und wie sich das im Alltag darstellt.

In Deutschland leben Menschen aus 194 Ländern. Wenn ich mal ganz subjektiv meine Umgebung betrachte, leben hier vor allem Türken, die in den 60er-Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland kamen und hier ihre Familien gründeten. Das bedeutet, dass viele junge Leute türkische Namen haben und türkische Eltern oder Großeltern, selber aber hier geboren sind und perfekt Deutsch und Türkisch sprechen. Man nennt sie oft die „dritte Generation“. 1,6 Mio. Menschen hier in Deutschland haben die türkische Staatsangehörigkeit. Gefolgt von einer Million aus Ex-Jugoslawien, einer halben Million Italienern, 400.000 Polen und 276.000 Griechen. Das sind aber nur die Menschen mit einem nicht-deutschen Pass.

Insgesamt haben fast 20 Mio. Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund – also ein Fünftel der Bevölkerung. München gehört zu den Städten in Deutschland, die am schönsten gemischt sind – so nenne ich das jetzt einfach mal. Dennoch wirkt es im Straßenbild nicht so. Denn ein junger türkischer Münchner sieht oft eigentlich genauso aus wie ein deutscher Münchner, und auch jemand aus Ex-Jugoslawien, also aus Bosnien oder Kroatien, macht optisch kaum einen Unterschied. Was ich damit sagen möchte: in anderen Großstädten wie Paris oder London sieht man die kulturellen Unterschiede stärker, weil dort zum Beispiel Inder leben, die sich traditionell kleiden, oder Chinesen, oder Afrikaner. Diese Gruppen sind hier in Deutschland eher klein. Manche türkische oder arabische Frauen tragen ein Kopftuch, aber das ist schon der einzige Unterschied in der Kleidung.

In Deutschland gibt es auch keine ausgeprägten ethnischen Stadtviertel. Während es in USA beispielsweise in größeren Städten ein „Chinatown“ gibt, ist das hier nicht so. Natürlich gibt es einige Straßen, in denen beispielsweise mehr Asia-Läden sind, oder hier in München gibt es rund um den Hauptbahnhof viele türkische Lebensmittelgeschäfte, aber mehr auch nicht. Ich wohne in einem Stadtteil von München, in dem es sehr viele verschiedene Kulturen gibt. Im Kindergarten sind Rumänen, Ungarn, Engländer, Araber und Griechen. Ich freue mich, dass mein Kind so aufwächst und hoffe, dass es sein Verständnis für andere Kulturen stärkt und er ein toleranter, neugieriger Mensch wird.

Gibt es in Deutschland Ausländerfeindlichkeit? Natürlich. Wie in jedem Land der Welt. Es gibt leider immer Menschen, die sich für etwas besseres halten. Oder die vor anderen Menschen Angst haben. Oder die Befürchtung, diese könnten ihnen etwas wegnehmen. Kurz gesagt: Es gibt immer Idioten. Ich selber bin nur halb Deutsche – aber ich habe noch nie Fremdenfeindlichkeit erfahren. Ich hatte noch nie Angst hier, obwohl ich einen ausländischen Namen habe und dunkle Haare und dunkle Augen. Die meisten Deutschen haben aus der Vergangenheit des Landes gelernt – und sie machen hoffentlich nicht wieder die gleichen Fehler. Ich bin zuversichtlich.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg99kurz.pdf

At the train station. Absolute Beginner #06

At the train station. Absolute Beginner #06

Welcome to a German train-station! We’re at a „Bahnhof“ today, talking about different words you might need there. First of all, you need to check the „Fahrplan“, that’s the schedule of the trains. Fahrplan. On this „Fahrplan“, there are two categories: Trains arriving and trains leaving the station. The arrival is called „Ankunft“, the departure is called „Abfahrt“. Ankunft and Abfahrt.

On this schedule you look for the train you want to take. You check the time it is leaving – the „Abfahrtszeit“. Zeit is the time, Abfahrt the departure. So the time of departure. Abfahrts-Zeit. The next information you need is the right track, so you can find your train. The track is called „Gleis“. So maybe your train to Berlin is „auf Gleis 4“. On track 4. Auf Gleis 4.

Let’s say there is no schedule and you have to ask somebody. Then you can say: „Entschuldigung“, to catch their attention. Entschuldigung. It essentially means „sorry“ or „excuse me“. Then you can ask: Where do I find the next train to Berlin? „Wo finde ich den nächsten Zug nach Berlin?“

Or you go to a ticket booth and say: I need a ticket to Berlin, please. „Ich brauche bitte eine Fahrkarte nach Berlin.“ The person then will maybe ask: „Einfache Fahrt oder hin und zurück?“, meaning do you need a single ticket or a return ticket? So you say: „Einfache Fahrt, bitte.“ or „Hin und zurück, bitte“. Maybe they also ask if you want to travel first class or second. „Erste Klasse oder zweite?“ Most of the time you answer „Zweite Klasse, bitte“, but sometimes first class is cheaper than second! Don’t ask me why… The next question is: „Soll ich einen Sitzplatz für Sie reservieren?“ The „Sitzplatz“ is simply the seat. You can make a reservation for a certain seat on the train. This costs extra, but it guarantees you have a seat – when it’s crowded you sometimes will need to stand the whole way. You can decide if you want a seat on the aisle or at the window – it’s a „Fensterplatz“ near the window, „am Gang“ near the aisle. You can also choose between „im Großraumwagen“ or „im Abteil“ on certain trains. The „Großraumwagen“ is just one long carriage with seats, like a bus. Other areas of the train are compartmentalized, „Abteile“.

If you have your ticket, your „Fahrkarte“, you run to catch your train. At least that’s what I always have to do. You look for the right carriage number, the „Wagennummer“, and jump in. When the train has departed, the „Schaffner“ will come and will want to see your ticket.

Sometimes the train is delayed, it has „Verspätung“. Relax – there’s nothing you can do about it. Have a safe trip! Gute Fahrt!?

SG #098: Frühling

SG #098: Frühling

Hier in München liegt noch Schnee. Seit November frieren wir hier, laufen mit dicken Jacken und Schals umher und stapfen mit Stiefeln durch den Schnee. Wir warten alle sehnsüchtig auf den Frühling. Noch wenige Tage, dann wird es so weit sein!
Der Frühling ist die Lieblings-Jahreszeit vieler Menschen. Vor allem in Regionen wie unserer, wo der Winter recht lang und kalt ist, freut man sich auf die ersten warmen Sonnenstrahlen. Hier in München ist das besonders extrem: Auch wenn es nur wenige Grad über Null ist, sitzen die Münchner schon draußen auf den Terrassen der Cafés oder am Straßenrand, trinken Kaffee und genießen die ersten Sonnenstrahlen. Die Cafés kennen das schon – die Betreiber legen extra warme Decken auf die Stühle, mit denen man sich die Beine zudecken kann.

Krokus / Foto: Larissa Vassilian

Meistens kommt der Frühling dann doch ziemlich schnell: Von heute auf morgen wird es warm und freundlich, die Sonne scheint, der Schnee schmilzt und die Tage werden merklich länger. Die ersten Frühlingsboten sind die Krokusse, das sind kleine Blumen, die sich durch den kalten und harten Boden kämpfen, sobald die ersten Sonnenstrahlen den Frühling ankündigen. Auch die Schneeglöckchen kommen dann hervor. Etwas später folgen Tulpen, die fast jeder Gartenbesitzer in seinem Garten gepflanzt hat, und gelbe Narzissen, die die typischen Frühlingspflanzen sind und auch „Osterglocken“ genannt werden.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn die Natur im Frühling zum Leben erwacht. Den ganzen Winter über wirken Blumen und Bäume wie tot, als wären sie abgestorben. Wenn die Temperaturen steigen, sprießen die Blätter und Blüten und man hat den Eindruck, man könnte sie dabei beobachten, so schnell geht das. Die braunen und gelben Wiesen und Felder werden saftig grün, und hier in München kann man vor allem sehen, wie die Kastanienbäume ihre riesigen Blätter entfalten.
Schön ist es auch, die Vögel zu beobachten: Eifrig sammeln sie kleine Stöcke und Grashalme, um Nester zu bauen und ihre Eier auszubrüten. Dann sieht man die jungen Vögel bei ihren ersten Flugversuchen, und das Gezwitscher draußen ist ein wunderbares Konzert.

Im Nu ist Ostern, und dann steht auch schon der Sommer vor der Tür. Ich genieße es, vier ausgeprägte Jahreszeiten zu haben. Natürlich nervt mich der Winter manchmal, aber ich würde nicht in einem Land wohnen wollen, wo es immer warm ist. Jede Jahreszeit hat ihren Vorteil. Im Winter ist es hier bei uns besonders kuschelig, man verbringt gerne Zeit zu Hause im Warmen, trinkt Tee und zündet Kerzen an. Im Frühling freut man sich über die Wärme, über die Blütenpracht, verbringt wieder mehr Zeit im Freien. Im Sommer sind die Deutschen ohnehin jede Minute draußen, und im Herbst wird es dann langsam wieder gemütlicher und man verabschiedet sich vom Sommer.

Wie ist das bei Euch? Lebt Ihr in einem Land, in dem es alle vier Jahreszeiten gibt? Welche mögt Ihr am Liebsten?

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg98kurz.pdf

SG #097: Tatort

Wisst Ihr, was ein Straßenfeger ist? Ich meine das nicht im wörtlichen Sinne, da steht kein Mann auf der Straße mit einem Besen in der Hand. Aber im übertragenen Sinne ist es genau so: Am Sonntag Abend gibt es den letzten Straßenfeger im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen: Den Tatort. Ein Straßenfeger ist also eine Fernsehsendung, die so viele Menschen sehen wollen, dass die Straßen wie leergefegt sind. Rund 10 Millionen Menschen in Deutschland sehen den Tatort jeden Sonntag Abend – und die Zahlen steigen.

Der Tatort ist eine KrimiReihe. Der erste Tatort lief am 29. November 1970, mittlerweile gab es über 900 Folgen. Jeder Tatort ist 90 Minuten lang und beginnt am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten Deutschen Fernsehen, „Das Erste“. Auch die Schweiz und Österreich gehören zum Tatort-Gebiet, auch sie produzieren eigene Filme.

Jede Woche ist ein anderes Team an der Reihe – es gibt viele verschiedene Tatort-Ermittler in verschiedenen Städten. 21 Teams sind es zur Zeit. Hier in München ermitteln zwei ältere Herren, Batic und Leitmayr heißen sie im Film. Über 60 Fälle haben sie schon miteinander gelöst. Andere Teams kommen nicht so gut an und werden nach wenigen Folgen wieder abgesetzt. Am längsten dabei ist Kriminalhauptkommissarin Lena Odenthal, die in Ludwigshafen am Rhein ermittelt – und zwar seit 1989. Gespielt wird sie von der Schauspielerin Ulrike Folkerts. Sehr beliebt ist das Team aus Münster, gespielt von Jan Josef Liefers und Axel Prahl. Die Tatort-Episoden aus Münster sind sehr lustig und kommen daher gut an. Mit der Zeit kennt man die verschiedenen Teams gut, man kennt ihre Familiengeschichte und ihre Macken, und das macht sie sympathisch. Und man erkennt natürlich die Drehorte, wenn der Tatort in der eigenen Stadt spielt.

Genau diese Zusammensetzung aus verschiedenen Teams ist es wahrscheinlich, die den Tatort so erfolgreich macht. Jeder hat ein Lieblings-Team, und für jeden Geschmack ist etwas dabei. Es gibt alte Ermittler und junge, es gibt natürlich Männer und Frauen als Hauptdarsteller, es gibt düstere und traurige Folgen und auch komische und schräge Folgen. Oft werden aktuelle Themen aufgegriffen. Es geht also nicht nur um einfache Morde und die Suche nach dem Täter, sondern oft auch um Bandenkriminalität, Menschenhandel, Rechtsextremismus, Drogen und ähnliches.

Rund 35 Folgen gibt es pro Jahr, im Sommer laufen Wiederholungen. Da der Tatort so gut ankommt, laufen auch in den Dritten Progammen fast täglich Wiederholungen alter Fälle. Über eine Million Euro kostet die Produktion eines Tatorts, einen knappen Monat lang wird gedreht.

Die meisten Zuschauer hatte bislang übrigens eine Folge aus Münster: Fast 13 Millionen Menschen sahen „Summ, Summ, Summ“ 2013. Gleich danach kam eine Folge aus Hamburg: Dort ermittelte Nick Tschiller vor 12,57 Millionen Menschen. Gespielt wird er von Til Schweiger, einem deutschen Schauspieler und Regisseur, dessen Kinofilme regelmäßig auf Platz eins der Kinocharts landen – so wie jetzt gerade der aktuelle Film „Honig im Kopf“.

Mit wachsender Begeisterung steigen die Tatort-Fans übrigens auch auf den so genannten Second Screen um: Während der Ausstrahlung wird unter dem Hashtag #Tatort getwittert, es werden Kommentare auf Facebook geschrieben und viele Landesrundfunkanstalten bieten nach der Ausstrahlung oder währenddessen einen Chat an, damit man dem Regisseur oder den Schauspielern Fragen stellen kann. Social TV heißt das dann. Habt Ihr schonmal Tatort geschaut? Mich würde sehr interessieren, was Ihr davon haltet.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg97kurz.pdf

SG #096: PEGIDA

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Die Informationen in diesem Text sind veraltet – bitte informiert Euch im Internet über die aktuelle Situation.

Wer momentan in Deutschland Nachrichten liest, sieht oder hört, dem begegnet ein Wort besonders häufig: Pegida. Dahinter steckt ein Verein aus Dresden. PEGIDA ist eine Abkürzung, sie steht für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“.
Was macht dieser Verein? Er organisiert seit Oktober 2014 jeden Montag Demonstrationen in Dresden. Die Menschen gehen auf die Straße und protestieren gegen eine angeblich falsche Asylpolitik und Flüchtlingspolitik. Auch in anderen Städten gibt es mittlerweile derartige Demonstrationen, sie sind aber nicht so groß wie in Dresden. Und: Es gibt Gegendemonstrationen – viele Deutsche wehren sich gegen das, was PEGIDA behauptet.

Was steckt dahinter? Zunächst einmal wahrscheinlich Angst. Wie so oft. Die Angst vor Dingen, die fremd sind. Und vor fremden Menschen. Vor fremden Kulturen, die man nicht versteht. Und neben der Angst steckt sicher auch Unwissenheit hinter den Demonstrationen. Denn von einer Islamisierung kann nicht die Rede sein – die Zahlen der in Deutschland lebenden Moslems sind gering, geschätzt sind es fünf Prozent der Bevölkerung. In Sachsen, dem Bundesland, in dem Dresden liegt, sind es sogar nur geschätzt 0,5%. Deutschland nimmt zudem im Vergleich zu anderen Ländern sehr wenige Flüchtlinge auf – aber das ist ein anderes Thema.

Eines ist jedenfalls klar: Die Rechtsextremen in Deutschland freuen sich sicher über den Erfolg von PEGIDA. Neonazis und auch Hooligans laufen gerne bei den Demonstrationen mit, und PEGIDA distanziert sich nicht von ihnen. Die Zahl der Demonstranten in Dresden ist seit Oktober 2014 gestiegen – von anfangs wenigen Hundert auf jetzt ungefähr 20.000. Erfreulicherweise stieg auch die Zahl der Gegendemonstranten: Fast 100.000 waren es am 12. Januar in ganz Deutschland, allein 20.000 in München. Einige Städte ließen sogar die Beleuchtung großer Gebäude abschalten – zum Beispiel war der Kölner Dom dunkel, als PEGIDA demonstrierte, ebenso das Brandenburger Tor in Berlin. Auch Vertreter der Kirchen fordern Toleranz und warnen vor PEGIDA. Ebenso viele deutsche Politiker.

Was will PEGIDA? Gefordert werden unter anderem eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Zuwanderern, die straffällig geworden sind. Ebenso eine gesteuerte Zuwanderung über ein Punktesystem, so wie es in Kanada üblich ist. Und eine konsequente Abschiebepolitik. Kriegsflüchtlinge sollten zwar aufgenommen werden, Wirtschaftsflüchtlinge aber nicht.

Vieles ist bereits per Gesetz geregelt und gilt für alle – für Deutsche ebenso wie für gerade erst angekommene Flüchtlinge. Und ich frage mich in diesem Zusammenhang oft, wo die Empathie anderen Menschen gegenüber bleibt? Über Weihnachten waren in dem Ort, in dem meine Eltern leben, viele Flüchtlinge in einer Turnhalle untergebracht – darunter drei hochschwangere Frauen. Muss man vor ihnen Angst haben? Soll man sie so schnell wie möglich aus dem Land schmeißen? Oder hat man Verständnis, dass diese Menschen genau wie wir ein friedliches Leben ohne Armut haben möchten? Noch unverständlicher wird all das wenn man bedenkt, dass sehr viele Deutsche ebenfalls eine
Flüchtlingsgeschichte hinter sich haben – der Zweite Weltkrieg ist noch nicht so lange her, oder? Aber manche haben eben doch nichts daraus gelernt.

Mich hat jedenfalls sehr gefreut, dass Pegida unter anderem mit viel Humor und Satire begegnet wurde. Plötzlich gab es Aufrufe „Gegen eine Salamisierung des Abendbrotes“, eine Satiresendung schleuste einen verkleideten Moslem auf eine Pegida-Demonstration ein, und in München gab es eine Anti-Pegida-Demonstration mit dem Motto „Tanz den Pegida“. Viele Musiker machen die Anti-Pegida-Demonstrationen zu Open-Air-Konzerten in der Kälte – und locken noch mehr Leute an.

Schade finde ich, dass Deutschland durch Aktionen wie diese im Ausland wieder als ausländerfeindlich und Nazi-Land gesehen wird. Ich hoffe Ihr wisst, dass nicht alle Deutschen so denken wie Pegida.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg96kurz.pdf