In Deutschland gibt es momentan nur drei Themen: Die Corona-Pandemie, die Klimakrise und die Bundestagswahl. Am 26. September wird in Deutschland gewählt, und diese Wahl ist etwas Besonderes. Denn danach haben wir einen neuen Kanzler – oder eine neue Kanzlerin. Überall hängen Wahlplakate, im Fernsehen laufen zahllose Politik-Sendungen, und sogar Kinder diskutieren über das Thema, wie ich letztens gehört habe.

Jeder deutsche Staatsbürger und jede deutsche Staatsbürgerin darf ab dem Alter von 18 Jahren wählen. Über das Wahlalter wird übrigens diskutiert – manche Parteien möchten auch jüngeren Menschen erlauben, an Wahlen teilzunehmen. Bis jetzt liegt die Grenze aber bei 18 Jahren.

Zum ersten Mal dürfen bei dieser Bundestagswahl auch behinderte, schuldunfähige und psychisch kranke Menschen teilnehmen – das hat das Bundesverfassungsgericht 2019 beschlossen. Das sind immerhin 85.000 Deutsche.

Blicken wir mal zurück zur letzten Bundestagswahl. Die fand 2017 statt. Damals wählten 76,2 Prozent aller Menschen, die wahlberechtigt waren. Man kann auch sagen: Die Wahlbeteiligung lag bei 76,2 Prozent. Gewonnen hat damals die Union, das sind die beiden Parteien CDU und CSU, mit 32,9 Prozent. Danach kam die SPD mit 20,5 Prozent, die AfD mit 12,6 Prozent, die FDP mit 10,7 Prozent und die Linke mit 9,2 Prozent. Die Grünen waren damals bei 8,9 Prozent. Das bedeutete, dass die AfD zum ersten Mal in den Bundestag kam. Dafür muss eine Partei nämlich über die sogenannte 5-Prozent-Hürde kommen. Mehr zum politischen System gibt es übrigens in Folge 31 von Slow German.

Ihr habt es schon ausgerechnet: Eine absolute Mehrheit hatte die Union damals nicht. Also musste sie sich sozusagen einen Partner suchen. Man nennt das „Sondierungsgespräche“. Da sprechen die Politiker und Politikerinnen verschiedener Parteien miteinander um zu sehen, ob eine Kooperation möglich ist. Vier Wochen dauerte das. Letzten Endes wurde es eine sogenannte Große Koalition, also eine Regierung aus SPD und Union. Soviel zum Rückblick. Kanzlerin blieb Angela Merkel, die diesen Job seit 2005 macht.

Bei der diesjährigen Bundestagswahl sieht die Sache etwas anders aus. Angela Merkel hat gesagt, dass sie nicht mehr Kanzlerin sein möchte. Also streiten sich gerade drei Menschen in Deutschland darum, wer der beste Kanzler oder die beste Kanzlerin wäre. Man nennt sie Kanzlerkandidat und Kanzlerkandidatin. Für die SPD tritt Olaf Scholz an, er war Bürgermeister von Hamburg und ist jetzt Finanzminister. Für die Union geht Armin Laschet ins Rennen, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Und für die Grünen tritt Annalena Baerbock an, sie wäre mit 40 Jahren die jüngste Kanzlerin, die Deutschland je hatte – und die einzige mit Kindern. Diese drei liefern sich nun also Fernseh-Debatten, sie geben unzählige Interviews und machen Wahlkampf. Es gab kleine und größere Skandale – und wir sind gespannt, wer gewinnt. In der aktuellen Umfrage zwei Wochen vor der Wahl führt die SPD, gefolgt von der Union und den Grünen.

Es gibt aber natürlich weitaus mehr Parteien als die genannten. Insgesamt machen 47 Parteien bei der Bundestagswahl mit, es ist also ein sehr langer Zettel, auf dem wir unsere beiden Kreuzchen machen dürfen. Ich kann das bestätigen, denn ich habe schon per Briefwahl gewählt. Normalerweise gehe ich in das nächste Wahllokal, um dort zu wählen. Bei uns hier ist das in der Grundschule, ich habe aber auch schon im Gebäude einer Feuerwehr-Station gewählt. Dieses Mal muss ich am Wahlsonntag arbeiten, also habe ich per Briefwahl gewählt.

Ich konnte zwei Stimmen abgeben: Die Erststimme und die Zweitstimme. Bei der Erststimme standen die Kandidaten und Kandidatinnen, die hier bei mir in der Region für ihre Parteien antreten. Es gibt in Deutschland 299 Wahlkreise, in jedem leben ungefähr 250.000 Menschen. Und mit meiner Erststimme habe ich also einen Menschen aus meinem Wahlkreis gewählt. Wer die meisten Stimmen in einem Wahlkreis bekommt, darf mit einem sogenannten Direktmandat nach Berlin in den Bundestag. Es gibt dann also 299 Bundestags-Abgeordnete, für jeden Wahlkreis ist das ein Politiker oder eine Politikerin.

Wichtiger ist aber die Zweitstimme: da geht es um die Partei. Welche Partei bekommt die meisten Zweitstimmen und bekommt damit mehr Platz im Bundestag? Wer 20 Prozent der Zweitstimmen hat bekommt auch mindestens 20 Prozent der Sitze im Bundestag. Mal vereinfacht gesagt. Dann gibt es noch einige Besonderheiten im deutschen Wahlrecht, die lasse ich hier aber mal weg. Bis zu 1000 Abgeordnete könnte unser neuer Bundestag haben – so viele wie noch nie. Und das wird übrigens auch ganz schön teuer…

So, jetzt weißt Du also, wie sich der deutsche Bundestag zusammensetzt. Aus jeder Region sind Menschen dort, und die Parteien sind unterschiedlich stark vertreten, je nachdem wie wir sie wählen. Dann müssen sie sich noch zu Koalitionen zusammenschließen, um eine Mehrheit zu haben. Nur so können sie Entscheidungen treffen. Und wie kommen wir nun zu einer neuen Kanzlerin oder einem neuen Kanzler? Der Bundespräsident schlägt jemanden vor, der gute Chancen für das Amt hat – dieses Jahr also Laschet, Baerbock oder Scholz. Dann wird im Bundestag geheim gewählt: Mit absoluter Mehrheit können sich die Abgeordneten für den vorgeschlagenen Kandidaten oder die Kandidatin entscheiden. Danach muss der Bundespräsident ihn oder sie noch ernennen, das ganze also offiziell machen. Wir müssen also noch etwas Geduld haben, bis wir wissen, wer Deutschland in Zukunft regiert. Bis dahin macht Angela Merkel einfach weiter.

Übrigens gibt es zu jeder Wahl in Deutschland den Wahl-O-Mat. Das ist eine Internetseite und eine App, bei der man Fragen beantworten kann – und am Ende erfährt man, welche Partei am besten zu den eigenen Antworten passt. Mach doch einfach mal mit!

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg241kurz.pdf