Warnstreiks in Deutschland – SG 275

Warnstreiks in Deutschland – SG 275

Heute erzähle ich Dir etwas über Warnstreiks.

In Deutschland gab es in den vergangenen Monaten viele Streiks. Ein Streik ist, wenn Arbeitnehmer nicht zur Arbeit gehen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Sie machen das, um die Arbeitgeber dazu zu bringen, auf ihre Forderungen einzugehen.

Eine Art von Streik nennt man Warnstreik. Ein Warnstreik dauert normalerweise nur ein paar Stunden oder einen Tag. Es ist wie eine Warnung: „Hey, wir sind nicht glücklich, aber wir wollen nicht für immer streiken. Aber wenn sich nichts ändert, könnten wir das tun!“

Für Aufmerksamkeit sorgten zuletzt vor allem die Warnstreiks bei der Deutschen Bahn. Worum ging es? Die Deutsche Bahn stand auf der einen Seite, die Lokführergewerkschaft auf der anderen Seite dieser Verhandlungen. Zu einem Warnstreik kommt es so: Erst gibt es Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das sind sogenannte Tarifverhandlungen. In diesem Tarif wird festgelegt, wie die Arbeit ablaufen soll. Wie viele Stunden beispielsweise pro Woche gearbeitet werden müssen und zu welchem Lohn. Jetzt kann es aber passieren, dass zum Beispiel der Arbeitgeber sagt: Nein, Ihr verlangt zu viel. Die Verhandlungen scheitern. Dann kann die andere Seite zu einem Warnstreik aufrufen. Das alles ist durch das deutsche Grundgesetz, also unsere Verfassung, gesichert. Der Streik ist also ein Grundrecht.

Aber wie hat das angefangen? Die Geschichte der Streiks in Deutschland geht weit zurück. Schon im 19. Jahrhundert begannen Arbeiter, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Damals waren die Bedingungen oft sehr schlecht. Die Arbeitnehmer arbeiteten lange Stunden für wenig Geld und hatten kaum Rechte. Im Laufe der Zeit haben sich die Arbeitsbedingungen verbessert, zum Teil wegen der Streiks. Heute gibt es viele Gesetze, die die Rechte der Arbeitnehmer schützen. 

Die Streiks bei der Bahn haben jedenfalls viele Leute verärgert. Teilweise fuhren die Züge zwei Tage lang nicht, es kam mehrmals im Jahr zu vielen Ausfällen. Eine Reise mit der Bahn zu planen, wurde schwierig, denn so richtig zuverlässig war das Verkehrsmittel durch die Streiks nicht mehr. 

Natürlich ist es verständlich, dass Bahnreisende genervt sind. Es ist aber trotzdem wichtig zu verstehen, dass Streiks in einer Demokratie wichtig sind. Sie können dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken. 

Du willst sicher wissen, wie der Tarifstreit zwischen der Bahn und den Lokführern ausgegangen ist. Am Ende waren nämlich beide Seiten zufrieden. Die Lokführer bekommen einen sogenannten Inflationsausgleich von 2850 Euro. Dann wird ihr Lohn um insgesamt 420 Euro pro Monat erhöht. Und sie müssen in Zukunft weniger Stunden arbeiten, und zwar 35 statt 38. Das alles wird in einzelnen Schritten ausgeführt, also nicht alles auf einmal, aber nach und nach. Interessant finde ich, dass niemand zu der niedrigeren Arbeitszeit gezwungen wird. Wer möchte, kann bis zu 40 Stunden arbeiten und bekommt dann auch mehr Lohn. Jetzt ist also erstmal wieder Ruhe, es gibt keine weiteren Warnstreiks. Der Tarifvertrag läuft bis Ende 2025. Aber: es gibt auch eine andere Gewerkschaft, die in einem Jahr wieder verhandeln wird – mal sehen, wie es dann aussieht…

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg275kurz.pdf

SG #102: Gewerkschaften und Streiks

SG #102: Gewerkschaften und Streiks

Deutschland ist derzeit im Chaos versunken. Naja, ganz so schlimm ist es nicht – aber dieses Jahr haben besonders viele Streiks stattgefunden. Darüber möchte ich Euch heute etwas erzählen.
Es gibt in Deutschland viele Gewerkschaften. In einer Gewerkschaft tun sich Menschen zusammen, um ihre Arbeitssituation zu sichern und zu verbessern. Es gibt beispielsweise eine Gewerkschaft, die die Lokführer vertritt. Eine Gewerkschaft, die Dienstleistungsberufe vertritt. Eine Gewerkschaft für Ärzte, eine für Landwirte, eine für die Polizei und so weiter.

Eine Mitgliedschaft ist keine Pflicht – aber man kann sich in einer Gewerkschaft engagieren. Dazu wird man Mitglied und zahlt einen jährlichen Beitrag. Dafür bekommt man dann unterschiedliche Leistungen. Ich bin beispielsweise in einer Gewerkschaft, die mir rechtlichen Beistand gibt, wenn ich ein berufliches Problem habe. Sie bezahlt mir sozusagen einen Rechtsanwalt.
Die ersten deutschen Gewerkschaften gab es vor ungefähr 150 Jahren. Damals gab es Streiks und Arbeitskämpfe, weil die Arbeiterklasse am Existenzminimum lebte, während es den Unternehmern und Herrschenden so gut ging wie noch nie.

Heute sind die Forderungen ähnlich. Die Arbeiter wollen gerechte Löhne. Sie wollen genug Geld verdienen, um ihren Job gut machen zu können und gut leben zu können. In Deutschland streiken derzeit zwei Berufsgruppen: Die Lokführer und die Erzieher. Das bedeutet: Der Eisenbahnverkehr ist momentan sehr eingeschränkt, und die Kindergärten haben geschlossen. Eltern müssen Lösungen finden, wie ihre Kinder dennoch betreut werden können, damit sie weiter arbeiten können. Wer Großeltern in der Nähe hat, hat Glück. Viele andere nehmen die Kinder mit in die Arbeit, nehmen Urlaub oder wechseln sich mit der Kinderbetreuung ab. Eine schwierige Situation. Die Erzieher rufen währenddessen zu Demonstrationen auf und machen ihren Kampf sichtbar.

Oft geht es bei Streiks um die Tarifverträge. Diese Verträge sind für die ganze Branche vereinbart und legen beispielsweise das Gehalt von Erziehern fest. Tarifverträge müssen immer wieder an die aktuelle Situation des Landes angepasst werden. Man streitet also um Geld, um Arbeitszeiten, um Urlaubsansprüche, um Rentenansprüche – und wenn sich die Parteien (in diesem Fall die Gewerkschaft und die Arbeitgeber) nicht einig werden, streiken die Erzieher. Dies baut einen enormen Druck auf die Verhandlungen auf, ist aber das gute Recht von den Angestellten. Auch wenn die Bevölkerung selbst dann darunter leidet.
Im Fall der Erzieher ist das Verständnis für die Streiks in der Bevölkerung recht hoch. Jeder weiß, wie wichtig der Job der Erzieher ist, und wie schlecht sie bezahlt werden. Hier in München können sich viele Erzieher nicht leisten, die Miete einer Wohnung zu bezahlen. Sie wohnen daher oft weit außerhalb und fahren zum Arbeiten in die Stadt.

Weniger Verständnis haben die Menschen, wenn beispielsweise die Piloten streiken. Sie gehören zu einer privilegierten Berufsgruppe, sie verdienen viel Geld und haben eine gesicherte Altersversorgung. Dennoch haben natürlich auch sie das Recht, zu streiken und ihre Interessen zu vertreten. Wenn aber Flüge annulliert werden und die Menschen nicht in den Urlaub fliegen können, fehlt oft das Verständnis.
Ähnlich ist es, wenn die Lokführer streiken – dann fahren keine Züge, die Menschen kommen nicht zur Arbeit, die Straßen sind verstopft weil es überall Staus gibt, die Menschen sind sauer. Ihr seht also – Arbeitskämpfe sind schwierig. Wie ist das in Eurem Land? Schreibt doch unter slowgerman.com in die Kommentarfunktion, es würde mich sehr interessieren!

Übrigens: Für Premium Abonnenten gibt es jetzt auch Episoden, in denen ich Märchen vorlese. Viel Spaß damit!

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg102kurz.pdf

SG #080: Der 1. Mai und der Maibaum

SG #080: Der 1. Mai und der Maibaum

Heute ist der 1. Mai. In Deutschland ist der 1. Mai ein gesetzlicher Feiertag – die Geschäfte bleiben geschlossen, die meisten Menschen müssen nicht zur Arbeit. Warum dieser Tag ein Feiertag ist? Es ist der Tag der Arbeit, wie in vielen anderen Ländern auch.

Die Geschichte dieses Tages ist alt: Am 1. Mai 1856 gab es in Australien Massendemonstrationen. Die Menschen forderten den Achtstundentag. Also dass sie pro Tag nur noch acht Stunden arbeiten wollten. Zwölf Stunden Arbeit pro Tag waren damals normal. 1886 gab es wegen des gleichen Themas einen Streik in den USA, auf dem Haymarket in Chicago. Demonstranten und Polizei kämpften gegeneinander, die Gewalt eskalierte. Eine Bombe tötete sieben Polizisten – anschließend wurden bei Kämpfen 200 Arbeiter verletzt und einige getötet. Drei Jahre später wurde der 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen, um der Opfer zu gedenken.

Wie sieht nun der 1. Mai in Deutschland aus? In Berlin, genauer gesagt im Stadtteil Kreuzberg, gibt es Straßenfeste und Demonstrationen. Oft kommt es dort zu Ausschreitungen und zu Gewalt.

Die Nacht zum ersten Mai, also die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, wird Walpurgisnacht genannt. Walburga war eine Heilige aus England. Bei der Walpurgisnacht denkt man aber nicht an eine Heilige, sondern an Hexen: Angeblich feiern die Hexen in dieser Nacht ein Fest auf Bergen und Hügeln, vor allem auf dem Blocksberg, der eigentlich Brocken heißt und im Harz-Gebirge liegt. In der Mainacht werden große Maifeuer entfacht, um die bösen Geister zu vertreiben. Dazu gibt es dann ein großes Fest, den „Tanz in den Mai“. Die Mainacht ist für junge Männer auch die Zeit, in der sie losziehen um Streiche zu spielen: Sie wickeln Klopapier um Autospiegel oder bewerfen Häuser und Autos mit Eiern und sprühen sie mit Rasierschaum ein.

Hier in Bayern werden am 1. Mai die Maibäume aufgestellt. Fast jede Gemeinde und auch manche Stadtteile haben einen Maibaum. Das ist der Stamm eines hohen Baumes, dem die Äste entfernt werden. Dann wird er in Handarbeit über mehrere Wochen geschliffen und mit weiß-blauen Streifen bemalt. Am 1. Mai gibt es dann ein großes Fest, und der neue Baum wird in der Ortsmitte aufgestellt. Heutzutage geschieht dies meist durch einen Kran. Aber manche Gemeinden sind stolz darauf, den riesigen Baum auch heute noch per Hand aufzustellen – mit langen, zusammengebundenen Holzstangen. Das dauert ganz schön lange! Die Besucher sitzen solange zusammen, essen und trinken und tanzen zur Blasmusik. Der Maibaum gilt wahrscheinlich als Fruchtbarkeitssymbol – ganz genau weiß man das nicht. Aber immerhin haben schon die Wikinger am 1. Mai Bäume aufgestellt.

In manchen Regionen stellen junge Männer den Frauen, die sie lieben, einen kleinen geschmückten Maibaum heimlich in den Garten.

Es gibt übrigens noch einen Brauch, den ich in diesem Zusammenhang sehr lustig finde: Der Versuch, einen Maibaum zu stehlen. Alles beginnt damit, dass ein großer Baum in einem Schuppen oder einer Scheune aufgestellt wird. Dann wird er dort bearbeitet und zum prächtig geschmückten Maibaum. In dieser Zeit versuchen Gruppen aus den umliegenden Gemeinden, den Baum zu stehlen. Wenn sie es schaffen, müssen die Maibaumbesitzer meist Bier und Essen bezahlen, um ihren Baum wiederzubekommen. Und dann wird gemeinsam gefeiert – mit den Dieben. Damit der Baum also nicht geklaut werden kann, bewachen ihn die Menschen bei der so genannten Maibaumwache. Sie sitzen also die ganze Nacht bei ihrem Maibaum, damit er nicht gestohlen wird. Und dennoch schaffen es schlaue Gruppen immer wieder, den riesigen Baum zu klauen!

Ich wünsche euch jetzt einen schönen 1. Mai – und gehe erstmal zu einer schönen Maifeier. Bis zum nächsten Mal! Eure Annik

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg80kurz.pdf