SG #131: Sankt Martin und der Laternenumzug

SG #131: Sankt Martin und der Laternenumzug

Der 11. November hat in Deutschland zwei Bedeutungen. Erstens fängt an diesem Tag der Fasching an, und zweitens ist es der Gedenktag für den Heiligen Sankt Martin. Das feiern vor allem Kindergartenkinder – aber dazu später mehr. Wer war Martin?
Martin war ein römischer Soldat. Er wurde im Jahr 316 geboren, und zwar im heutigen Ungarn. Er wuchs in Italien auf.

Martin war ein sehr hilfsbereiter Mensch. Eines Tages war er im Winter auf seinem Pferd unterwegs, als er einen Bettler traf. Der Bettler hungerte und fror. Martin schnitt kurzerhand seinen Mantel in zwei Stücke und reichte dem Bettler eine Hälfte, damit dieser sich wärmen konnte. In der nächsten Nacht träumte Martin. Im Traum war der Bettler Jesus Christus. Bald darauf ließ Martin sich taufen, verließ den Armeedienst und wurde Bischof.
Soweit zur Geschichte.

Aber wie feiern wir St. Martin heute? Ganz einfach: Die Kinder basteln in den Wochen vor dem 11. November Laternen. Sie rollen bunte Pappe zu einem Zylinder, schneiden Löcher hinein und kleben buntes Papier dahinter. Sie stellen kleine Kerzen in diese Laternen und hängen sie an einen Holzstab, der wie eine kleine Angel aussieht. Am 11. November dann gehen die Kinder gemeinsam zum Laternenumzug. Meistens reitet vorneweg ein als St. Martin verkleideter Mann auf einem weißen Pferd, einem Schimmel. Oder die Kinder spielen die Geschichte von St. Martin und dem Bettler selber nach. Dann werden Lieder gesungen: „Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir. Da oben leuchten die Sterne, und unten leuchten wir.“ Oder: „Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne, brenne auf mein Licht, brenne auf mein Licht, aber nur meine liebe Laterne nicht!“

Ihr dürft nicht vergessen, dass es im November in Deutschland meistens schon sehr kalt ist. Und es wird früh dunkel. Der Laternenumzug ist immer erst dann, wenn es richtig dunkel ist – damit man die Laternen auch schön sieht. Am Ende des Umzuges gibt es oft ein Martinsfeuer. Gegessen werden kleine Martinsgänse, die aus Teig gebacken sind. Oder Weckmänner, das sind Männer mit Pfeife, ebenfalls aus Teig gebacken (siehe Foto!).
Ich finde, es ist ein schöner Brauch. In unserem Kindergarten sind viele Kinder anderer Konfessionen, viele muslimische Kinder zum Beispiel. Und auch wenn das ein sehr deutscher und christlicher Brauch ist, finde ich ihn passend für alle. Denn was zeigt diese Geschichte den Kindern? Dass sie anderen helfen sollen, anstatt egoistisch zu sein. Und dass sie ihre Dinge mit anderen teilen sollen. Eine schöne Lehre, findet Ihr nicht?

Hier wird die Geschichte von Sankt Martin erzählt:

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SG #130: Das Deutsche Museum

SG #130: Das Deutsche Museum

Wie Ihr wahrscheinlich wisst, lebe ich in München. München liegt im Süden von Deutschland, genauer gesagt in Bayern. München ist die Landeshauptstadt von Bayern. Hier leben 1,5 Millionen Menschen, und damit ist München nach Berlin und Hamburg die drittgrößte Stadt Deutschlands. Mitten durch die Stadt fließt ein Fluss, die Isar. Es ist ein recht kleiner Fluss, auf ihm können keine Schiffe fahren, weil das Wasser zu seicht ist. Jedenfalls gibt es in diesem Fluss einige Inseln. Und auf einer dieser Inseln steht das Deutsche Museum, über das ich Euch heute etwas erzählen möchte.

Das Deutsche Museum wurde 1925 eröffnet. Es ist das größte naturwissenschaftlich-technische Museum der Welt. Es gibt dort 28.000 Objekte zu sehen! 1,5 Millionen Menschen kommen jedes Jahr als Besucher in dieses Museum. Einer dieser Menschen bin ich – unsere Familie hat eine Jahreskarte für das Museum. Das bedeutet, wir haben uns eine teure Karte gekauft, die ein ganzes Jahr lang gilt, und mit der wir zu dritt ins Museum gehen können, wann immer wir möchten. Der große Vorteil davon, das habe ich letztes Wochenende gemerkt: Wir müssen nicht in der Schlange anstehen, um uns Karten an der Kasse zu kaufen. Wir können direkt ins Museum gehen. Und letztes Wochenende, als es regnete und kalt war, dauerte es über eine Stunde lang, bis man an der Kasse war! So viel Geduld hätte ich wahrscheinlich nicht.
Die wahrscheinlich berühmteste Abteilung im Deutschen Museum ist das Bergwerk. Erst geht man viele Stufen in den Keller hinunter, bis man im Bergwerk ankommt. Es ist natürlich kein echtes Bergwerk, sondern nachgebaut, aber die Atmosphäre ist bedrückend echt. Man sieht hier Pferde und Menschen aus Holz ihre Arbeit verrichten im dreckigen, dunklen Schacht. Als Kind hatte ich Angst davor, in diese Abteilung zu gehen. In den Kriegsjahren versteckten sich hier unten die Münchner Bürger vor den Bombenangriffen.
Es gibt viele andere Abteilungen, die ebenso interessant sind. Da sind die großen, alten Dampfmaschinen, die Abteilung für Raumfahrt oder eine winzig kleine Ziegelei, also eine Fabrik, die Ziegel herstellt. Ziegel sind rechteckige Steine, mit denen man Häuser bauen kann. Es gibt eine Abteilung für Musikinstrumente, eine für Mathematik, eine für Starkstromtechnik. Hier gibt es regelmäßig Vorführungen – ein Besucher darf sich in einen Faradayschen Käfig setzen und wird dann mit einem Blitz „beschossen“. In einer anderen Abteilung steht ein komplettes U-Boot, das an einer Seite aufgeschnitten wurde, damit man auch den Motor, die Batterien und die Torpedos sehen kann.
Um sich alles anzusehen, braucht man ungefähr drei Tage. Und auch dann hat man noch nicht alles verstanden und gelesen, was es hier zu sehen gibt.
Früher standen hier auch noch Lokomotiven, Autos und Flugzeuge – die sind aber mittlerweile umgezogen. Es gibt zwei weitere Museen in München, die zum Deutschen Museum gehören. Die Flugwerft Schleißheim, wo jetzt alles zum Thema Fliegen zu besichtigen ist, und das Verkehrszentrum an der Theresienwiese, also in der Nähe des Oktoberfests.
Während manche Abteilungen sehr neu gestaltet sind, mit gut verständlichen Tafeln, die uns Laien die Wissenschaft erklären, sind manch andere Abteilungen sehr veraltet. Diese werden nun nach und nach renoviert – Ihr könnt Euch vorstellen, wie teuer das ist!
Für Kinder gibt es ein extra Kinderreich, hier können Kinder auf einer riesigen Gitarre spielen, Flaschenzüge ausprobieren und Kugelbahnen bauen. Falls Ihr mal nach München kommt und das Wetter ist schlecht: Geht unbedingt ins Deutsche Museum!

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SG #129: Der Führerschein

SG #129: Der Führerschein

In meinem Geldbeutel ist ein gefaltetes Stück rosafarbenes Papier. Mein Foto ist darauf zu sehen – da war ich gerade mal 18 Jahre alt. Was das für ein Papier ist? Es ist mein Führerschein!
Der Führerschein ist ein offizielles Dokument. Ich habe den Führerschein bekommen, nachdem ich meine Fahrprüfung gemacht hatte. Seitdem darf ich Auto fahren. Ich erkläre Euch kurz, wie man in Deutschland zum Autofahrer wird.

Als ich 1994 meinen Führerschein machte, musste ich 18 Jahre alt sein. Heute ist das anders: Man kann schon ein Jahr früher Auto fahren. Ähnlich wie in den USA geht das aber nur in Verbindung mit dem begleiteten Fahren – man darf nicht alleine Auto fahren lernen, sondern muss einen Erwachsenen mit dabei haben.

Wer lernen möchte, ein Auto zu fahren, geht in eine Fahrschule. Der Unterricht ist in zwei Teile unterteilt: Theorie und Praxis. Im Theorieunterricht sitzt man wie in der normalen Schule in einem Raum mit dem Fahrlehrer und lernt die Verkehrsregeln. Eine Schulstunde dauert in Deutschland 45 Minuten – in der normalen Schule genau wie in der Fahrschule. 26 Theorie-Stunden lang muss man also die Schulbank drücken, bis man die theoretische Prüfung ablegen kann. 80% der Fragen muss man richtig beantworten – sonst ist man durchgefallen.

Der praktische Unterricht erfolgt im Straßenverkehr: Gemeinsam mit dem Fahrlehrer oder der Fahrlehrerin sitzt man in einem speziellen Auto. Dieses Auto hat auch auf der Beifahrerseite Spiegel und ein Bremspedal. So kann der Lehrer im Notfall eingreifen. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, wie viele Stunden man mindestens unterwegs sein muss – zum Beispiel 5 Fahrstunden auf einer Landstraße, 4 auf der Autobahn und 3 in der Nacht. Der Fahrlehrer entscheidet dann, wann man gut genug ist, um an der Fahrprüfung teilzunehmen. Das ist aufregend, kann ich Euch sagen! Man bekommt einen Termin zur Prüfung, und da kommt dann ein fremder Mensch, ein so genannter Prüfer, und setzt sich mit dem Fahrlehrer und dem Schüler ins Auto. Er lässt den Schüler dann fahren, stellt ihm Fragen – und beobachtet alles ganz genau. Ich musste damals auch rückwärts einparken – gar nicht so leicht, wenn man nervös ist! 45 Minuten dauert diese Prüfung – dann weiß man, ob die Prüfung bestanden ist oder nicht. Wenn ja, bekommt man den Führerschein – wenn nicht, muss man nochmal in die Fahrschule zurück.

Heute übrigens ist der Führerschein nicht mehr rosa. Die europäischen Länder haben sich auf einen einheitlichen Führerschein geeinigt, und dieser ist klein wie eine Kreditkarte und aus Plastik. Ich werde also bald meinen Führerschein umtauschen gegen diesen schöneren Karten-Führerschein – und dann bin ich auch das alte Foto endlich los…

Autofahrer unter 21 Jahren müssen übrigens nüchtern Auto fahren – sie dürfen nur 0 Promille haben. Bei älteren Fahrern liegt diese Grenze bei 0,5 Promille. Wer gegen diese oder andere Verkehrsregeln verstößt und damit sich und andere in Gefahr bringt, bekommt Punkte in Flensburg – wer zu viele Punkte hat, der verliert seinen Führerschein. Um ihn wiederzubekommen, muss man erneut in die Fahrschule.
Übrigens war der Führerschein in Deutschland ansonsten ewig gültig – man machte ihn mit 18 und konnte fahren, bis man starb. Heute ist das anders: Seit 2013 ist der Führerschein nur noch 15 Jahre gültig. Danach muss man ihn neu beantragen – und ein neues Foto machen lassen. Eine Fahrprüfung gibt es allerdings nicht.

Wie ist das in Eurem Land? Schreibt gerne in die Kommentarfunktion!

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SG #128: Die Sendung mit der Maus

SG #128: Die Sendung mit der Maus

Es gibt eine Sendung, die kennt in Deutschland jedes Kind. Nicht nur jedes Kind, sondern auch jeder Erwachsene – denn es gibt sie schon sehr lange. Sie heißt: „Die Sendung mit der Maus“. Sie kommt jeden Sonntag im Fernsehen, und zwar in der ARD, „Das Erste“ heißt der Sender genau gesagt. Produziert wird sie vom WDR, dem Westdeutschen Rundfunk, in Köln.
Alles fing an im Jahr 1970. Damals setzten sich vier Menschen zusammen und überlegten, wie man eine Kindersendung im Fernsehen machen könnte. 1971 lief sie dann zum ersten Mal im Fernsehen. Sie ist gedacht für Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter, also von ungefähr 3 bis 10. Aber auch Erwachsene können hier noch etwas lernen!

Ich erzähle Euch mal, wie die Sendung mit der Maus aufgebaut ist. Sie beginnt mit einem gezeichneten Vorspann. Man sieht die orangefarbene Maus und ihren viel kleineren Freund, den blauen Elefanten. Sie spielen jedes Mal anders mit den Buchstaben „Lach- und Sachgeschichten“. Dazu erklärt eine Stimme, um welche Themen es diesmal geht. Der Anfang dauert ungefähr eine halbe Minute. Danach kommt der genau gleiche Clip noch einmal, diesmal aber in einer anderen Sprache gesprochen. Das kann Englisch sein oder Französisch, oft sind es aber auch Sprachen wie Lettisch oder Urdu. Am Ende wird verraten, welche Sprache es war.
Dann wechseln sich Lach- und Sachgeschichten ab. Lachgeschichten sind kurze Lieder, Geschichten oder Animationsfilme, die die Kinder unterhalten sollen. Manchmal haben sie eine Botschaft, sie versuchen also über Angst, Wut oder andere Gefühle zu sprechen. Oder über typische Situationen aus dem Alltag der Kinder.

Dann gibt es die Sachgeschichten – sie sind legendär für die Sendung mit der Maus. Hier versuchen die Filmemacher, den Kindern die Welt zu erklären. Sie beantworten Fragen wie „Warum ist der Himmel blau?“ oder „Wie kommen die Streifen in die Zahnpasta?“. Sie gehen in Fabriken und zeigen, wie Matratzen oder Legosteine hergestellt werden. Hier geht es darum, etwas zu lernen.
Am Ende der halbstündigen Sendung gibt es momentan entweder eine Folge von „Käptn Blaubär“, einem blauen Puppenbären, der seinen drei Enkeln lustige Geschichten erzählt, oder eine Folge „Shaun das Schaf“. Das kennt Ihr sicher, oder?
„Die Sendung mit der Maus“ ist deswegen so toll, weil sie so liebevoll gemacht wird. Zwei Männer werden mit ihr in Verbindung gebracht, das sind Christoph und Armin. Christoph hat immer einen grünen Pulli an, und er macht meistens nur Pantomime. Das bedeutet, er spricht selten. Er zeigt mehr mit seinem Gesicht und mit seiner Gestik. Dann ist da noch Armin. Er ist von Anfang an dabei, also seit über 40 Jahren. Er hat eine tiefe, ruhige Stimme, und erklärt den Kindern vieles in den Sachgeschichten. Mittlerweile gibt es natürlich auch eine jüngere Generation, die an der Maus mitarbeitet – Ralph zum Beispiel.
Besonders toll war es, als der deutsche Astronaut Alexander Gerst im Weltraum war. Er flog auf die ISS und nahm eine kleine Stoffmaus mit. Und dann durften ihm die Maus-Zuschauer Fragen stellen, die er in der Schwerelosigkeit beantwortete. Seit einigen Monaten begleitet ein Reporter-Team auch eine Flüchtlingsfamilie aus Syrien und zeigt, was die Kinder in ihrer neuen Heimat alles erleben.
Die Sendung hat sich natürlich über die Jahre verändert. Aber sie fühlt sich immer noch so an wie früher. Sie nimmt Kinder ernst und begegnet ihnen auf Augenhöhe. Das gefällt mir so gut daran. Auch schwierige Themen wie Krieg oder Tod kommen vor – aber natürlich immer kindgerecht aufbereitet.
Ich verlinke Euch die offizielle Maus-Seite – dann könnt Ihr Euch mal eine Folge anschauen. Wie gesagt: Auch Erwachsene können noch etwas lernen!

Die Sendung mit der Maus beim WDR: Internet-Seite / Sendung
Die internationale Sendung mit der Maus (Arabisch, Kurdisch, Dari, Englisch, Französisch)

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SG #127: Das Abendbrot

SG #127: Das Abendbrot

Habt Ihr schonmal von dem Wort Abendbrot gehört? Viele Deutsche benutzen das Wort vor allem für das abendliche Essen. Auch wenn es gar kein Brot gibt, sondern ein warm gekochtes Essen. Früher war das traditionelle Familienessen das Mittagessen. Die Frau kochte das Essen, der Mann kam oft sogar von der Arbeit nach Hause, um mit den Kindern und seiner Frau zu Mittag zu essen. Heute ist das nur noch selten so. Die Erwachsenen sind in der Arbeit, die Kinder oft auch über Mittag in der Schule. Also ist das Abendessen zur warmen Mahlzeit geworden, zu der man sich am Esstisch trifft und sich über den Tag austauscht.
Im wahrsten Sinne des Wortes bezeichnet das Abendbrot aber eine kalte Mahlzeit. Da mittags warm gegessen wurde, verzichtete man abends auf eine ausgiebige Mahlzeit. Vielmehr kam ein Laib Brot auf den Tisch. Die Deutschen lieben ihr Brot – es ist selten ein helles Brot aus Weizenmehl, sondern oft ein Mischbrot aus verschiedenen Getreidearten. Es gibt auch Roggenbrot oder Vollkornbrot. Es ist ein sehr kräftiges Brot, und es gibt sehr viele verschiedene Arten. Manche Brotsorten sind stark gewürzt, zum Beispiel mit Kümmel. In manchen Broten sind Sonnenblumenkerne eingebacken – sehr lecker. Dieses Brot jedenfalls kam oder kommt abends auf den Tisch. Dazu gibt es erstmal Butter – und ich muss Euch sagen, so eine Scheibe frisches Brot mit Butter ist wunderbar. Da braucht man eigentlich gar nicht mehr. Aber viele essen trotzdem lieber ein Brot mit Wurst oder Käse. Wurst nennt man auch Aufschnitt – es gibt viele verschiedene Sorten, von Paprikawurst bis Salami. Ebenso natürlich beim Käse. Damit all das nicht so trocken ist, gibt es noch eine Scheibe Gurke obendrauf, oder auch ein Essiggürkchen, oder Tomate. Manche essen auch gerne ein Brot mit Frischkäse und Radieschen-Scheiben. Die elegante Variante ist ein Brot mit Lachs und Meerrettich.
Dazu gibt es dann für die Erwachsenen Bier oder Getränke ohne Alkohol, für die Kinder Limonade, Saft oder Wasser. Oft wird dieses Abendbrot auch Brotzeit oder Vesper genannt – das ist von Region zu Region unterschiedlich. Gegessen wird meist nicht von Tellern, sondern von Brotzeitbrettchen. Das sind oft runde Bretter mit einer Rinne außenrum, damit zum Beispiel Flüssigkeit von der geschnittenen Tomate abfließen kann. Es gibt auch rechteckige Frühstücksbrettchen – die mag ich selber aber nicht besonders. Sie sind sehr dünn und eigentlich zu klein für ein richtiges Brot.
Na, bekommt Ihr langsam Hunger? Könnt Ihr Euch vorstellen, abends kalt zu essen? Wie ist das in Eurem Land? Schreibt in die Kommentarfunktion, ich bin gespannt!

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SG #126: Abkürzungen

SG #126: Abkürzungen

Egal wie gut man eine Sprache beherrscht – wer die wichtigsten Abkürzungen nicht kennt, der versteht nichts. Abkürzungen entstehen, wenn vor allem lange Wörter oder Phrasen schneller schreibbar werden sollen. Ich möchte Euch dazu eine schöne Geschichte erzählen. Unter Briefe und Mails schreiben wir oft MfG. Das bedeutet „Mit freundlichen Grüßen“. Es kann aber auch etwas anderes bedeuten – und so dachte ein netter Mensch, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, dass ich unter meine Mails immer „Mitfahrgelegenheit“ schreibe. Eine Mitfahrgelegenheit ist, wenn ich mit dem Auto irgendwo hinfahre und fremde Menschen mitnehme, die mir dafür etwas Geld für das Benzin geben. Ihr seht also – es kann zu Missverständnissen kommen, wenn man die Abkürzungen nicht kennt.
Vielleicht erinnert Ihr Euch an die Folge über Vereine hier bei Slow German – da gab es die Abkürzung „e.V.“, das steht für „eingetragener Verein“.

Vor allem in Zeitungsanzeigen kommen viele Abkürzungen vor, weil diese pro Buchstabe bezahlt werden müssen. EG steht dann für Erdgeschoss, OG für Obergeschoss, DG für Dachgeschoss, BLK für Balkon, DHH für Doppelhaushälfte, EBK für Einbauküche.
Aber auch in Briefen findet Ihr Abkürzungen: evtl. steht für „eventuell“, usw. für „und so weiter“, z.B. für „zum Beispiel“, eigtl. für „eigentlich“. Noch mehr? Gerne. „bzw.“ heißt „beziehungsweise“, „allg.“ heißt „allgemein“. Sehr häufig ist auch „d. h.“ für „das heißt“ und „ggf.“ für „gegebenenfalls“.

Kann man sich durch Abkürzungen wirklich Zeit sparen? „u.U.“ schon. „u.U.“ steht für „unter Umständen“, also „manchmal“. „v.a.“ wenn man es eilig hat. „v.a.“ bedeutet „vor allem“. In Büchern werdet Ihr auch manchmal „vgl.“ sehen, das steht für „vergleiche“. Man soll also das was dort steht mit einem anderen Text auf einer anderen Seite oder in einem anderen Buch vergleichen.

Im Geschäftsleben gibt es ebenfalls einige Abkürzungen, die immer wieder auftauchen. Da ist die Geschäftsform der „GmbH“, einer „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Das sind die meisten Firmen hier. Und es gibt auch die „AG“, die Aktiengesellschaft. Das sind die Firmen, die an der Börse notiert sind, von denen man also Aktien kaufen kann.

Vielleicht ist es Euch schon aufgefallen, dass manche Menschen, meist sind es Frauen, ihren Namen schreiben und dahinter „geb. Müller“ oder einen anderen Namen. Das „geb.“ steht dann für „geborene“ Müller. Das heißt, früher hieß die Frau Müller, dann heiratete sie und übernahm den Namen ihres Mannes.

Auch in der Zeitrechnung kommen Abkürzungen vor – wir schreiben Jahreszahlen zum Beispiel „2016 n. Chr.“, das wäre 2016 nach Christus. Oder natürlich „v. Chr.“, vor Christus.
Und dann sind da natürlich noch die Abkürzungen, die sehr neu in unserer Sprache sind. In Mails wird auch oft vom „WE“ geschrieben – das steht für Wochenende. LG steht für „Liebe Grüße“, oder GLG für „Ganz liebe Grüße“. Durch Whatsapp und SMS werden wir einfach immer fauler!

Es gibt übrigens ein schönes Lied zu diesem Thema, und zwar von den „Fantastischen Vier“. Es heißt MfG. Und was das bedeutet, wisst Ihr jetzt. Oder? Hier ist es:

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SG #125: Die Weißwurst

SG #125: Die Weißwurst

Bayerischer könnte ein Thema nicht sein – ich möchte Euch heute nämlich etwas über die Weißwurst erzählen. Habt Ihr schonmal davon gehört? Die Weißwurst ist eine Münchner Spezialität. Es ist eine recht dicke Wurst, die tatsächlich weiß ist. Sie wird am Tisch in einem kleinen Porzellantöpfchen serviert und schwimmt in heißem Wasser. Denn eine kalte Weißwurst schmeckt überhaupt nicht.

Aber fangen wir vorne an. Angeblich wurde die Weißwurst 1857 erfunden. Und zwar mitten in München, in einem Gasthaus am Marienplatz. Dort gab es Bratwürste. Aber die Därme gingen aus – der Darm ist sozusagen die Hülle für die Wurst. Also musste ein Junge loslaufen, um neue Därme zu kaufen. Er kaufte die falschen – sie waren viel zu groß. Der Metzger füllte sie trotzdem, aber er legte die Würste nicht auf den Grill, weil er Angst hatte, sie könnten platzen. Stattdessen legte er sie in heißes Wasser – er brühte sie. Und das ist heute die Weißwurst.

Sie besteht aus feinem Kalbfleisch, Schweinefleisch, Speck und Gewürzen. Man sieht zum Beispiel deutlich die grünen Punkte – das ist Petersilie. Auch Zwiebeln sind drin, manchmal sogar Ingwer und Kardamom.
Hier in München sagt man, dass die Weißwurst das 12-Uhr-Läuten nicht hören darf. Man soll sie also vor 12 Uhr mittags essen. Mittlerweile gibt es sie in Gasthäusern aber den ganzen Tag über zu kaufen, man kann sie auch abends essen. Komisch ist für Euch wahrscheinlich, dass es vor allem am Wochenende viele Münchner gibt, die Weißwürste sozusagen zum Brunch essen, also gegen elf Uhr.

Noch eine Sache ist anders als bei anderen Würsten: Während man Wiener Würstchen zum Beispiel immer als Paar bestellt, also 2, 4 oder 6 beziehungsweise 1, 2 oder 3 Paar, bestellt man die Weißwürste einzeln, also pro Stück. Das hängt natürlich damit zusammen, dass die Würste so groß sind.
Zur Weißwurst gibt es süßen Senf – der ist besonders lecker! Und dann noch Brezen. Kennt Ihr bayerische Brezn? Sie sehen aus wie die kleinen knusprigen „Pretzels“, die Ihr vielleicht kennt. Aber sie sind außen knusprig und innen ganz weich. Wenn Ihr mal nach Bayern kommt, müsst Ihr unbedingt eine frische Brezel beim Bäcker kaufen. Aber zurück zur Weißwurst. Als Getränk gehört ein Weißbier zur Weißwurst. Es wird in einem hohen schönen Glas ausgeschenkt und schmeckt etwas nach Hefe.

So, jetzt liegt diese schöne Weißwurst also auf Eurem Teller. Was nun? Die Haut der Weißwurst kann man nicht essen! Wie kriegt man sie aber ab? Da gibt es verschiedene Techniken. Ihr könnt natürlich einzelne Stücke runterschneiden und jedes Mal die Haut abpulen. Das ist schwierig. Einfacher ist es, die Weißwurst der Länge nach zu halbieren und dann die ganzen Hälfte aus der Pelle zu schälen. Und wisst Ihr, was die Bayern machen? Sie zuzeln ihre Weißwurst. Das heißt, sie nehmen die ganze Wurst vorne in den Mund und saugen sozusagen die Wurst aus der Pelle. Das sieht nicht schön aus, glaubt mir. Jetzt wünsche ich Euch auf Bayerisch einen guten Appetit: An guadn!

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SG #124: Margarete Steiff

SG #124: Margarete Steiff

Ich erzähle Euch heute von einer Frau. Sie hieß Margarete Steiff und wurde 1847 geboren. Sie hatte es nicht leicht: Schon als Kind war sie teilweise gelähmt – ihre Bewegungen waren stark eingeschränkt. Das Mädchen war aber fröhlich und hilfsbereit. Margarete betreute die Kinder von Frauen, die arbeiten mussten. Und sie nähte gerne. Obwohl die Eltern dagegen waren, wurde sie Schneiderin. Und der Vater sah schließlich ein, dass seine Tochter begabt war.

Margarete Steiff / Foto: Margarete Steiff GmbH

Also richtete er für sie und ihre Schwester eine Schneiderei ein. Dort bekamen die beiden jungen Frauen immer mehr Arbeit – anfangs nähten sie noch mit der Hand. Aber sie sparten ihre Einnahmen und kauften sich bald als erste in der Gegend eine Nähmaschine. Margarete kaufte ein Filzgeschäft und hatte bald mehrere Angestellte. Sie hatte also Arbeiterinnen, die für sie nähten. Genäht wurde vor allem Kleidung.

Durch Zufall sah Margarete eines Tages in einer Zeitschrift eine Näh-Anleitung, man nennt das Schnittmuster, für einen Elefanten. Also ließ sie Nadelkissen nähen – in Form von Elefanten. In ein Nadelkissen steckt man Nähnadeln, die man gerade nicht braucht – damit man sich nicht verletzen kann. Diese besonderen Nadelkissen verkauften sie auf dem Markt, und sie waren ein voller Erfolg. Also begann Margarete, auch andere Tiere zu nähen – aus Filz. 1892 gab es den ersten Steiff-Katalog, mit Katzen, Hunden und Pferden. Der Umsatz stieg, und schon 1901 wurde nach Amerika exportiert. Ab 1902 gab es im Sortiment auch einen Teddybären.

1904 bekamen die Plüschtiere einen Metallknopf ins Ohr, daran eine kleine gelbe Stoff-Fahne mit dem Namen „Steiff“ darauf. Dieses Markenzeichen haben die Spielsachen noch heute.
Margarete gab ihre Firma an ihre Neffen ab – bis 1907 waren fast eine Million Teddybären genäht worden. 400 Mitarbeiter hatte die Firma, dazu noch 1800 Näherinnen, die von zu Hause aus arbeiteten. Margarete Steiff starb 1909 im Alter von 61 Jahren. Ihre Firma und viele Spielzeuge mit ihrem Namen gibt es noch heute. Und sie sind begehrt und teuer. Es gibt Sammler, die die Steiff-Plüschtiere genau kennen und seltene Exemplare zu hohen Preisen kaufen. Seit 2005 gibt es auch „Die Welt von Steiff“ – ein kleines Museum, in dem man bei der Herstellung der berühmten Tiere zusehen kann. Heute stellt die Firma auch Kinderkleidung her, die sehr beliebt ist.

Das war sie, die Geschichte einer wichtigen deutschen Unternehmerin. Hattet Ihr schonmal etwas von Steiff-Tieren gehört?
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