SG #155: Das Nibelungenlied

SG #155: Das Nibelungenlied

Es gibt eine alte Geschichte, die Ihr kennen solltet. Es ist das Nibelungenlied. Das ist eine alte Heldengeschichte, eine Sage. Man nennt diese Geschichte auch das Nationalepos der Deutschen. Aufgeschrieben wurde das Nibelungenlied ungefähr um das Jahr 1200 herum – aber die Geschichte selbst ist sicher noch viel älter.

Fangen wir mit dem Wort Nibelungenlied an. Ein Lied ist in unserer Zeit gesungen, also Musik mit Gesang. Damals aber war es eher eine Erzählung, eine Geschichte. Man konnte sie auch singen, das musste aber nicht sein.

Vier Zeilen, die sich aufeinander reimen, ergeben eine Strophe des Nibelungenliedes. Und es gibt 2400 Strophen. Das ist also ein ganz schön langes Lied, oder?

So geht es los:

Uns wird in alten Erzählungen viel Wunderbares berichtet,
von rühmenswerten Helden, großer Kampfesmühe,
von Freuden und Festen, von Weinen und Klagen;
von den Kämpfen kühner Helden könnt ihr nun Wunderbares erzählt hören.

Jetzt werdet Ihr sagen: Moment Mal, das reimt sich doch nicht? Nein. Denn das ist nicht das Original, sondern eine Übersetzung. Denn damals sprach man noch nicht so Deutsch wie heute. In Mittelhochdeutsch hat es sich gereimt.

Und was sind „Nibelungen“? Nun, in der Sage gab es einen König Nibelung. Der starb – und Siegfried tötete seine Söhne. Da war er also schon – Siegfried. Um ihn geht es im Nibelungenlied. Ich erzähle Euch die Geschichte – natürlich stark gekürzt.

Da gab es also diesen Siegfried. Er erlebte viele Abenteuer, zum Beispiel kämpfte er mit einem Drachen. Er tötete den Drachen und badete in seinem Blut. Davon wurde seine Haut fester, fast wie Horn. Er wurde also unverwundbar, Schwerter oder andere Waffen können ihn nicht besiegen. Nur an einer kleinen Stelle am Rücken hatte das Blut seine Haut nicht verwandelt – dort ist er weiterhin verwundbar.

Der Held Siegfried also will eine Frau. Nicht irgendeine Frau, sondern Kriemhild, eine Prinzessin. Die verliebt sich auch tatsächlich in ihn. Doch dann kommt eine Kriegserklärung, die das Reich der Prinzessin und ihrer Familie bedroht. Siegfried will helfen und zieht gemeinsam mit dem Bruder der Prinzessin in den Kampf. Sie gewinnen. Natürlich.

Nibelungenlied

Jetzt ist der Bruder dran. Er heißt Gunther. Und er sucht auch eine Frau. Er möchte unbedingt die schöne Brünhild haben. Da ist er nicht der einzige: Viele Männer buhlen, also werben um Brünhild. Sie ist stark und mutig. Sie möchte nur den Mann haben, der sie im Kampf besiegt. Das versuchen viele Männer – sie schaffen es nicht und werden getötet. Also macht Gunther einen Deal mit Siegfried. Siegfried soll ihm helfen, Brünhild zu besiegen. Dafür darf Siegfried dann seine Schwester Kriemhild heiraten.

Der Plan funktioniert und es gibt eine Doppelhochzeit. In der Hochzeitsnacht jedoch wehrt sich Brünhild – wieder muss Siegfried helfen. Beide Male denkt Brünhild, ihr Mann hat sie „besiegt“. Siegfried war nämlich unsichtbar. Danach ist für einige Jahre alles ruhig.

Doch dann streiten die beiden Frauen miteinander. Welche hat den besseren Ehemann? Kriemhild erzählt Brünhild davon, dass Siegfried sie eigentlich besiegt hat. Nicht ihr eigener Mann. Daraufhin wird Siegfried getötet. Kriemhild lässt den Nibelungenschatz bringen. Das ist ein Schatz, den der Drache damals bewacht hatte. Und sie fängt an, das Gold zu verteilen. Ihr Onkel will den Schatz retten und versenkt ihn im Rhein.

Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Ihr erinnert Euch ja: 2400 Strophen hat das Lied. Also tief Luft holen, es geht weiter.

Kriemhild ist jetzt allein. Sie hat keinen Mann mehr. Also muss ein neuer Mann her. Ein König wird ihr neuer Mann. Sie zieht zu ihm ins Hunnenland, bekommt einen Sohn und könnte glücklich sein – aber sie ist es nicht. Sie will Rache. Sie lädt ihre alte Familie zu einem Fest ein. 1060 Ritter und 9000 Knechte kommen zu ihr ins Hunnenland, also nach Ungarn.

Kriemhild lässt alle Knechte töten. Als ihr Bruder das erfährt, tötet er Kriemhilds Kind. Es gibt ein Blutbad. Wenige überleben auf beiden Seiten. Darunter Gunther und Hagen. Zur Erinnerung: Gunther ist Kriemhilds Bruder, Hagen ihr Onkel. Beide werden gefangen und eingesperrt. Hagen verrät nicht, wo der Schatz liegt, den er im Rhein versenkt hat. Also lässt die gute Kriemhild ihrem Bruder den Kopf abschlagen und zeigt diesen Kopf ihrem Onkel. Der verrät es trotzdem nicht. Also köpft sie ihn auch. Und am Ende? Wird auch Kriemhild getötet.

Also kein Happy End. Heute würde man so etwas wohl Horrorfilm oder Slasher nennen, oder?

Wer hat das Nibelungenlied nun geschrieben? Das wissen wir nicht. Es gibt verschiedene Theorien, aber der Autor wird nicht genannt. Wir kennen die Geschichte, weil alte Handschriften gefunden wurden. Es ist aber wahrscheinlich eine Geschichte, die sich die Menschen damals schon lange erzählten. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in Schweden, Norwegen und England.

Auch wenn Ihr das Nibelungenlied noch nicht kanntet, habt Ihr schon davon gehört. Denn Werke wie „Herr der Ringe“ von Tolkien haben viele Elemente der alten Sage übernommen. Und selbstverständlich gibt es da noch „Der Ring des Nibelungen“, der Opernzyklus von Richard Wagner.

Der Schatz im Rhein wurde übrigens nie gefunden…

Auf slowgerman.com stelle ich Euch einige Links zum Nibelungenlied. Zum Beispiel eine Kurzfassung als Comic. Und natürlich auch den Link zum übersetzten Originaltext:

Das Original:
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbhs/content/pageview/739401

Leichter zu lesen (aber trotzdem Mittelhochdeutsch):
https://www.lernhelfer.de/sites/default/files/das_nibelungenlied.pdf

Eine Übersetzung in unser Deutsch:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/das-nibelungenlied-5833/1

Das Nibelungenlied in 90 Sekunden:
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/die-nibelungensage-in-90-sekunden-102.html

Das Nibelungenlied als Comic:
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/comic-die-nibelungensage-102.html

Das Nibelungenlied aus Lego:

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg155kurz.pdf

SG #154: Weihnachtslieder

SG #154: Weihnachtslieder

Bald ist Weihnachten. Zeit, ein paar schöne Weihnachtslieder zu singen! In Deutschland ist es Brauch, dass wir am Heiligabend vor der Bescherung singen. Das bedeutet, dass wir am 24. Dezember wenn es dunkel wird um den geschmückten und beleuchteten Weihnachtsbaum stehen und Weihnachtslieder singen, bevor wir die Geschenke auspacken.

Die meisten deutschen Weihnachtslieder sind sehr alt. Sie stammen aus dem späten Mittelalter. Damals waren sie Kirchenlieder, die über viele Generationen hinweg umgeändert wurden.

Einige Beispiele für Euch, ich lasse die Weihnachtsmaus singen:

Alle Jahre wieder,
kommt das Christuskind
auf die Erde nieder,
wo wir Menschen sind.

oder

Stille Nacht, heilige Nacht!
Alles schläft, einsam wacht

Das kennt Ihr auch in anderen Sprachen, oder?

Noch ein Lied:

Leise rieselt der Schnee,
still und starr ruht der See
weihnachtlich glänzet der Wald:
Freue dich, Christkind kommt bald!

Kling, Glöckchen, klingelingeling,
kling, Glöckchen, kling!
Laßt mich ein, ihr Kinder,
ist so kalt der Winter,
öffnet mir die Türen,
laßt mich nicht erfrieren.
Kling, Glöckchen, klingelingeling,
kling, Glöckchen, kling!

Und das Highlight natürlich:

O Tannenbaum, O Tannenbaum,
wie grün sind Deine Blätter
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit
nein auch im Winter, wenn es schneit
O Tannenbaum, O Tannenbaum,
wie grün sind Deine Blätter

Alle Kinder haben sich bei diesem Lied gefragt, warum der Tannenbaum plötzlich Blätter hat. Denn eigentlich hat er ja Nadeln. Aber egal.

Wenn Ihr Menschen hören wollt, die wirklich singen können, stelle ich Euch ein paar Links zu den Liedern auf slowgerman.com. Dort könnt Ihr in den Untertiteln der Videos den Text mitlesen!

Natürlich gibt es auch moderne Lieder, die vor allem die Kinder alle kennen und mögen. Zum Beispiel den Ohrwurm „In der Weihnachtsbäckerei“. Auch dazu stelle ich Euch den Link auf die Seite.

Slow German macht jetzt Weihnachtspause – wir hören uns im Neuen Jahr wieder! Auf slowgerman.com gibt es aber ein Weihnachtsgeschenk für Euch: Das Premium-Abo für 25% weniger. Einfach den Promo-Code „Weihnachten“ eingeben! Er gilt bis 7.1.2018.

Die Weihnachtslieder mit Untertiteln zum Mitsingen:
Alle Jahre wieder: https://www.youtube.com/watch?v=f2dD65CK6qY
Oh Tannenbaum: https://www.youtube.com/watch?v=2VN21X_wnWc
Stille Nacht: https://www.youtube.com/watch?v=gavZL5412JM
Leise rieselt der Schnee: https://www.youtube.com/watch?v=Cq4nV_f7-J4
Kling, Glöckchen Klingelingeling: https://www.youtube.com/watch?v=w8GX3Eriaqs
Leise rieselt der Schnee: https://www.youtube.com/watch?v=Cq4nV_f7-J4

Die ganze Playliste mit Weihnachtsliedern mit Untertiteln:
https://www.youtube.com/playlist?list=PL7Xc9V4mPsQL6BYaQkfA9qnshyzKUd53y

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg154kurz.pdf

SG #153: Heinrich Heine

SG #153: Heinrich Heine

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Habt Ihr diesen Satz schon einmal gehört? Er wird immer dann zitiert, wenn es Probleme in Deutschland gibt. Der Satz stammt von Heinrich Heine. Er war einer der wichtigsten deutschen Dichter. Aber keine Angst: Auch wenn er am 13. Dezember 1797 geboren wurde, sind seine Texte sehr aktuell und relativ leicht zu lesen. Ihr werdet ihn mögen!

Harry Heine wuchs in einem jüdischen Haushalt auf. Er war 13 Jahre alt, als Napoleon in Düsseldorf einzog. Schon als Schüler begann er, Gedichte zu schreiben. Beruflich sollte er eigentlich im Bankgeschäft arbeiten, aber dafür hatte er kein Talent. Also versuchte er es erst mit einem eigenen Geschäft für Stoffe, das aber bald pleite war. Dann begann er zu studieren. Er probierte es mit Jura und mit Geschichte, besuchte verschiedene Vorlesungen.

Mit 25 Jahren veröffentlichte er erste Gedichte. Es war eine aufregende Zeit für ihn. Er wechselte die Städte und die Universitäten, er beendete sein Jura-Studium und wurde promoviert. Um seine Chancen als Anwalt zu verbessern, ließ er sich protestantisch taufen, er kehrte also dem Judentum den Rücken und wurde Christ. Daher auch der neue Name: Christian Johann Heinrich Heine. Später hat er die Taufe oft bereut.

Wenn Ihr Heines Werke lest werdet Ihr merken, dass sie etwas Besonderes sind. Sie sind oft kritisch, sehr oft aber auch ironisch und humorvoll. Er spielt mit der Sprache. Er kann aber auch sehr böse sein und herablassend über Menschen schreiben. Seine Kritik auch an politischen Ereignissen und die Zensur, mit der er in Deutschland leben musste, führten Heinrich Heine nach Paris. Er wanderte nach Frankreich aus.

Als Schriftsteller wurde er immer bekannter. Er wurde ein Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland, versuchte den Menschen, die jeweils andere Kultur zu erklären. Er verdiente viel Geld mit seinen Schriften, heiratete eine Französin und traf große Menschen wie Karl Marx und Goethe.

Aber dann passierte etwas Schlimmes: Heine brach zusammen. Mit 51 Jahren war er fast vollständig gelähmt. Acht Jahre lang musste er im Bett verbringen. Er nannte diesen Ort seine Matratzengruft. Was für eine Krankheit das war, weiß man heute nicht. Vielleicht Syphillis, vielleicht Multiple Sklerose, vielleicht eine Bleivergiftung oder Tuberkulose. Es ist egal. Wichtig ist: Er war schwer krank und fast blind, aber das hinderte ihn nicht daran, weiter bis zu seinem Tod zu schreiben.

Versucht doch mal, etwas von Heine zu lesen. Auch wenn Ihr nicht alles versteht. Zum Beispiel das Gedicht „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ über die Loreley. Oder „Nachtgedanken“ mit dem diese Episode begonnen hat.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg153kurz.pdf

SG #152: Weihnachtsplätzchen

SG #152: Weihnachtsplätzchen

Endlich ist wieder Advent! In den vier Wochen vor Weihnachten wird es besonders süß und lecker in Deutschland.

Weihnachtsplätzchen / Foto: Larissa Vassilian
Hauptsache viele verschiedene Sorten!

Denn jetzt essen wir Lebkuchen und Weihnachtsplätzchen, im Norden auch Weihnachtskekse genannt. Es gibt viele verschiedene Sorten dieser kleinen Kekse, und ich möchte Euch heute einige davon vorstellen. Was alle Weihnachtsplätzchen gemeinsam haben ist, dass sie mit typischen Weihnachtsgewürzen und oft mit viel Fett und Nüssen gebacken werden – passend zum kalten Winter.

Da sind zum Beispiel die Vanillekipferl: Aus einem Mandelteig macht man zunächst dünne Würste, die man dann zu kleinen Monden formt – den Kipferln. Dann werden diese mit Vanillezucker bestäubt. Sie haben keine Füllung, sind aber sehr lecker, weil der Teig sofort auf der Zunge zerfällt.

Oder die Zimtsterne – diese Sterne habe ich noch nie selber gebacken, weil sie wirklich kompliziert sind: Auf einem dunklen und klebrigen Teig aus Mandeln ist eine dicke weiße Zuckerschicht aufgebracht. Beim Backen muss man aufpassen, dass diese nicht dunkel wird! Zum Glück kann der Bäcker das perfekt, also kaufe ich Zimtsterne am liebsten beim Bäcker.

Weihnachtsplätzchen: Spitzbuben und Kolatschen / Foto: Larissa Vassilian
Weihnachtsplätzchen: Spitzbuben und Kolatschen

Ich liebe auch die Spitzbuben, das sind Weihnachtsplätzchen aus zwei Lagen. Erst sticht man normale Plätzchen aus, dann nochmal die gleichen, allerdings mit einem Loch darin. Beide Hälften werden gebacken. Dann wird der Keks mit dem Loch darin mit Puderzucker bestäubt und der untere Keks mit Marmelade bestrichen. Nach dem Zusammenkleben sieht das besonders hübsch aus, weil die Marmelade durch das Loch zu sehen ist.

Als kleines Kind durfte ich meiner Mama beim Plätzchenbacken helfen. Wir haben damals Kolatschen gebacken. Dafür rollt man einen Mürbeteig zu kleinen Kugeln, ich durfte mit meinem kleinen Finger ein Loch in die Kugeln bohren und dann wurde in dieses Loch Marmelade gefüllt.

Kinder backen Weihnachtsplätzchen / Foto: Larissa Vassilian
Kinder backen Weihnachtsplätzchen

Genau das ist es, was ich an den Plätzchen so schön finde: Gemeinsam mit den Kindern zu backen. Die mögen natürlich alle Plätzchen, aber vor allem ist es ein Spaß, aus dem Teig verschiedene Formen auszustechen. Katzen, Tannenbäume, Nikoläuse, Sterne, Herzen und ähnliches. Nach dem Backen können diese einfachen Plätzchen dann mit buntem Zuckerguss oder Streuseln verziert werden.

Selbst gebackene Plätzchen werden auch gerne an Freunde verschenkt – dabei überbieten sich die Leute gerne darin, wer mehr Sorten gebacken hat. Es ist wirklich viel Arbeit! In einer schönen Keksdose halten sich die Plätzchen einige Wochen lang – wenn man sie nicht vorher gegessen hat.

Weihnachtsplätzchen für das Christkind / Foto: Larissa Vassilian
Weihnachtsplätzchen für das Christkind

Übrigens: Meine Mama erzählt aus ihrer Kindheit, dass es damals keine Weihnachtsplätzchen in der Vorweihnachtszeit gab. Stattdessen bekam jedes Kind an Weihnachten einen Teller voller Plätzchen. Da damals Süßigkeiten etwas sehr seltenes waren, war das für die Kinder der Höhepunkt des Festes.

Mein Sohn stellt jedes Jahr eine Kerze und einen Teller mit Plätzchen für das Christkind nach draußen, damit es an Weihnachten eine kleine Pause machen kann, während es den Kindern die Geschenke bringt.

Rezepte für Weihnachtsplätzchen:

Vanillekipferl
Zimtsterne
Spitzbuben
Kolatschen
Lebkuchen

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg152kurz.pdf