

SG #075: Der Nikolaus
Alex aus Kanada hat mich gebeten, über den Nikolaus zu sprechen. Ich kann gar nicht glauben, dass ich das noch nicht getan habe! Natürlich mache ich es gerne. Also:
In Deutschland kennt jedes Kind den Nikolaus. Allerdings gibt es zwei verschiedene Nikoläuse: Einen traditionellen und einen kommerziellen. Der kommerzielle Nikolaus sieht aus wie der amerikanische Santa Claus. Er hat einen roten Mantel mit weißem Rand, eine Mütze auf dem Kopf und einen weißen Bart. Der traditionelle Nikolaus sieht aus wie ein katholischer Bischof – denn beim Nikolaus geht es um eine alte Geschichte. Ich erzähle sie Euch kurz.
Nikolaus war der Bischof von Myra. Und zwar vor 1700 Jahren. Myra liegt in der heutigen Türkei. Damals hatten die Menschen dort Hunger. Es gab nicht genug zu Essen. Aber im Hafen lag ein Schiff mit Getreide für einen Kaiser. Der Bischof bat die Seeleute, einen Teil des Getreides an die hungernden Menschen zu geben. Er versprach ihnen, dass ihnen dadurch nichts schlechtes passieren würde. Die Seeleute gaben den Menschen also einen Teil des Korns. Und – welch ein Wunder – als das Schiff beim Kaiser ankam, fehlte nichts. Es gibt viele Legenden wie diese – schön, oder?
Bei uns jedenfalls ist der Namenstag des Nikolaus ein Feiertag für die Kinder. Sie stellen am Vorabend des Tages, also am 5. Dezember, abends ihre Stiefelchen vor die Türe. Am nächsten Morgen sind im Stiefel Nüsse, Orangen und Schokolade oder Lebkuchen. Mittlerweile sind auch manchmal Geschenke drin.
Ein anderer Brauch ist, dass am 5. Dezember der Nikolaus mit seinem Knecht Ruprecht von Haus zu Haus geht und die Kinder besucht. Er weiß, welche Kinder brav waren und welche nicht. Das steht in seinem goldenen Buch. Die braven Kinder bekommen Geschenke, die bösen Kinder werden vom Knecht Ruprecht geschimpft – früher wohl auch mit einer Rute verprügelt. Heute läuft das so ab, dass Eltern beispielsweise einen Studenten engagieren, der dann als Nikolaus verkleidet nach Hause kommt und den Kindern eine kleine Predigt hält – damit diese auch immer gut und brav sein sollen.
Hier in Bayern und in einigen anderen Regionen sollte man am Abend des 5. Dezember besser nicht allein vor die Tür gehen – dann ziehen schauerlich verkleidete Männer durch die Gegend und rasseln mit ihren Ketten. Sie heißen „Krampus“ und spielen Streiche, die nicht immer harmlos sind.
Die Kinder jedenfalls freuen sich schon auf den Nikolaus – und vielleicht wollt Ihr Euren Kindern auch eine Freude machen und stellt einen Stiefel vor die Tür? Vielleicht kommt der Nikolaus ja auch zu Euch!
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg75kurz.pdf

SG #074: Deutsche Autos
Frank hat mich gebeten, über die deutsche Automobilindustrie zu sprechen. Auch wenn ich selber mich nicht sehr für Autos interessiere, erzähle ich Euch gerne alles, was ich zu diesem Thema weiss.
1885 wurde das Auto erfunden. Der Erfinder war Carl Benz, ein deutscher Ingenieur. Das erste Auto hiess „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“. Bis heute spielt die Automobilindustrie in Deutschland eine sehr große Rolle. 2011 wurden 6 Millionen Autos in Deutschland gebaut, weitere 7 Millionen deutsche Autos wurden im Ausland gebaut. Drei Viertel der in Deutschland gebauten Autos werden in das Ausland verkauft, also exportiert. Nur China und die USA bauen mehr Autos als Deutschland. 730.000 Menschen arbeiten in der Automobilindustrie in Deutschland. Somit ist die Automobilindustrie der wichtigste Industriezweig in Deutschland. Interessiert Euch, wie viel Geld damit verdient wurde? 351 Milliarden Euro in 2011. 11 Prozent mehr als 2010.
Kommen wir zu den wichtigsten deutschen Automarken. Fangen wir bei A an wie Audi. Die Firma wurde 1909 gegründet und befindet sich heute in Ingolstadt, also in Bayern. Seit zehn Jahren gehört Audi zum Volkswagen-Konzern, das heißt 99,55 % der Aktien gehören der Volkswagen AG.
Ebenfalls in Bayern, genauer gesagt in München, befindet sich die bekannte Automarke BMW. Es gibt sie seit 1916, und BMW steht für Bayerische Motoren Werke. Zu Beginn produzierte die Firma Flugmotoren, später Motorräder, dann Autos. Heute gehören auch Rolls Royce und Mini zu BMW.
Weiter geht‘s mit Daimler. 1891 wurde die Daimler-Motoren-Gesellschaft gegründet. Ab 1899 tauchte auch der Name Mercedes auf. Später dann Mercedes-Benz. Die Firma hat ihren Sitz in Stuttgart, also in Baden-Württemberg. Oft sieht man in deutschen Städten den kleinen Smart, er gehört ebenfalls zu Daimler. Mittlerweile gibt es ihn auch als e-smart zu kaufen, also mit Elektro-Antrieb.
Ebenfalls in Stuttgart sitzt die Porsche AG, die es seit 1931 gibt. Ferdinand Porsche machte sich in diesem Jahr selbständig – und baute fortan Sportwagen. Seit 2012 gehört die Porsche AG komplett dem Volkswagen Konzern.
Zwei Marken fehlen noch. Da wäre die Firma Opel aus Rüsselsheim in Hessen, gegründet schon 1862 – damals wurden aber natürlich noch keine Autos gebaut, sondern Nähmaschinen und später Fahrräder. Opel wurde von General Motors gekauft und stürzte in die Finanzkrise.
Zuletzt noch Volkswagen. Während die anderen Konzerne im Süden Deutschlands beheimatet sind (und Opel in Hessen, also in der Mitte), sitzt der VW-Konzern in Wolfsburg, also in Niedersachsen, im Norden Deutschlands. Er wurde 1937 gegründet. Zum Konzern gehören heute Marken wie Audi, Bentley, Ducati, Lamborghini, MAN, Seat und noch einige andere. Damit ist die VW AG (Ag steht für Aktiengesellschaft) der größte Automobilhersteller Europas. Und wie fing alles an? Leider mit Adolf Hitler. Der wollte ein Auto haben, das sich nicht nur die Reichen leisten konnten, sondern viele Deutsche. Ferdinand Porsche, Ingenieur in Stuttgart, sollte einen Prototyp entwickeln. Daraus wurde der Volkswagen, ein Wagen für das Volk.
Audi, Mercedes, BMW – das sind vor allem große Autos. Und sie werden derzeit leider immer größer. Den Deutschen gefällt der amerikanische Trend der SUVs. Auch wenn unsere Innenstädte klein und eng sind und es wenig Parkplätze gibt – die Autos werden immer größer. Mich persönlich ärgert das sehr. Mich ärgert auch, dass nach wie vor kaum auf alternative Energien gesetzt wird. Natürlich forschen alle großen Konzerne in diesem Bereich – sie versuchen das Rätsel zu lösen, wie wir auch ohne Benzin existieren können. Aber erst jetzt kam beispielsweise der e-smart auf den Markt – und er ist noch sehr, sehr teuer. Ich finde es schade, dass die großen deutschen Automobilhersteller nicht modern und innovativ sind und führend in der Herstellung von umweltfreundlichen Autos.
Das beliebteste Auto in Deutschland ist übrigens der VW Golf. Und das seit über 30 Jahren. Auf Platz zwei ist der VW Passat, auf Platz 3 der kleine VW Polo. Erst danach kommen Mercedes und Opel.
Die Deutschen haben fast 52 Millionen Autos. Die meisten davon sind Volkswagen, danach kommen Opel, Mercedes, Ford, BMW, Audi und dann Renault, Toyota, Peugeot und Skoda.
Jetzt fragt Ihr Euch vielleicht, was für ein Auto ich selber fahre – ich fahre einen Ford. Einen winzig kleinen Ford namens Ford-Ka. Damit bekomme ich auch in der Stadt meistens einen Parkplatz, und ich muss nicht viel Geld für Benzin ausgeben. Und zum Glück kann man in den deutschen Städten auch gut ohne Auto leben – man fährt mit dem Fahrrad oder mit Bus, U- und S-Bahn oder der Straßenbahn. So, ich hoffe nun wisst Ihr mehr über das Thema Autos in Deutschland.
Es gibt noch eine Folge zum Thema Autos – und zwar Folge #052.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg74kurz.pdf

SG #073: Die Berliner Mauer
José Antonio hat mich gebeten, über den Mauerfall zu sprechen. Dazu müssen wir erst einmal wissen, um welche Mauer es geht, oder?
1945 war der Zweite Weltkrieg vorbei. Deutschland hatte den Krieg verloren. Also wurde Deutschland in vier Teile aufgeteilt, die so genannten Besatzungszonen. Ein Viertel wurde von den USA verwaltet, ein Viertel von der UdSSR, ein Viertel von Frankreich und eines von Großbritannien. Auch Berlin, damals die Hauptstadt, wurde in Sektoren geteilt. 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet – sie umfasste den amerikanischen, französischen und britischen Sektor Deutschlands. Auf dem sowjetischen Sektor wurde die DDR gegründet. Der neuen BRD ging es durch den Marshall-Plan der Amerikaner wirtschaftlich gut – im Gegensatz zur DDR. Außerdem gab es in der sozialistischen DDR strenge Regeln, beispielsweise was die Reisefreiheit anging. Immer mehr Menschen flüchteten aus der neuen DDR in die Bundesrepublik Deutschland. Bis 1961 sollen es 3,1 Millionen Menschen gewesen sein. Also wurden Zäune errichtet, um sie zu stoppen. Das war aber nicht genug.
Im August 1961 begann der Mauerbau. Man baute eine Mauer, damit niemand mehr die Grenze überwinden konnte. Die Grenze verlief um den französischen, britischen und amerikanischen Sektor von Berlin – das wurde zu „West-Berlin“. Der sowjetische Sektor wurde „Ost-Berlin“. Die Mauer verlief mitten durch die Stadt, auf ungefähr 45 Kilometern Länge. Teilweise war sie so nah an den Häusern, dass die Türen und Fenster zugemauert wurden, um Fluchtversuche zu verhindern – die Bewohner konnten nur durch die Hintertüren in ihre Häuser kommen.
Die Grenze wurde von Soldaten bewacht – sie hatten den Befehl zu schießen, wenn jemand versuchen sollte, zu flüchten. Bis zu 245 Menschen sollen getötet worden sein – die genaue Zahl kennt niemand. Über 5000 Menschen schafften es, in den Westen zu fliehen.
Zwei Jahre nach dem Mauerbau kam der damalige US-Präsident John F. Kennedy nach Berlin. Er hielt eine Rede, in der die Worte „Ich bin ein Berliner“ vorkamen. Kennedy sprach diese Worte auf Deutsch und erntete dafür großen Jubel. Noch heute kennen diesen Satz die meisten Deutschen.
Fast 30 Jahre lang existierte die Mauer in Berlin. Sie wurde für die Berliner zur Normalität. Aber in der DDR passierte immer mehr: Menschen flohen in den Westen und forderten Reisefreiheit. Sie wollten nicht eingesperrt leben. Es gab Massenkundgebungen, also große Demonstrationen. Ein neues Reisegesetz sollte die Menschen beruhigen. Nachdem es durch Zufall am 9. November 1989 zu früh verkündet wurde, jubelten die Menschen und viele gingen zur Grenze – sie wollten ausreisen. Die Grenzbeamten wussten nicht, was sie machen sollten – und öffneten schließlich die Grenze. Viele tausend Menschen kamen so nach West-Berlin. Die Menschen hier feierten natürlich auch. Für jeden Übersiedler – also einen Menschen, der von Ost nach West zog, gab es 100 D-Mark Begrüßungsgeld.
Die Mauer und somit die Grenze wurde weiterhin kontrolliert – bis zum 1. Juli 1990. Ein halbes Jahr lang wurde die Mauer abgerissen – nur sechs Abschnitte blieben stehen. Sie sollen an die Teilung erinnern. Und die so genannten Mauerspechte klopften mit Meißeln und Hämmern auf die Mauer ein und verkauften die kleine Stücke – oder nahmen sie mit nach Hause, zur Erinnerung. Ein Specht ist übrigens eigentlich ein Vogel, der mit seinem spitzen Schnabel Löcher in Bäume bohrt, um dort nach Nahrung zu suchen. Auch hier in München steht ein Stück der Berliner Mauer als Denkmal!
Wer heute nach Berlin fährt, sieht kaum noch etwas von der ehemaligen Trennung. Es gibt noch einige leere Grundstücke, die auffallen, und einige Denkmäler, die an die Mauer erinnern. Besonders gut finde ich die Idee, den Verlauf der Mauer auf dem Boden durch Pflastersteine zu kennzeichnen. Das ist zum Beispiel am Brandenburger Tor gut zu sehen. Aber sonst wirkt die Stadt so, als wäre sie wieder zusammengewachsen. Dennoch kenne ich Menschen, die in Berlin leben – und die machen noch einen großen Unterschied zwischen Ost und West. Hier wird man auf die junge Generation warten müssen, die keine Erinnerung mehr an die Mauer hat.
Am berühmten Checkpoint Charlie, an dem sich einst Panzer gegenüberstanden, gibt es übrigens ein Mauermuseum – falls Ihr in nächster Zeit einmal nach Berlin kommt, müsst Ihr unbedingt hingehen.
So, das war stark verkürzt die Geschichte der Mauer – es ist sehr interessant, was sich in dieser Zeit in Deutschland ereignet hat. Im Internet gibt es die Seite http://www.die-berliner-mauer.de, die Ihr Euch ansehen könnt.
Das war Slow German für heute – ich nehme gerade übrigens alle Folgen noch einmal auf, diesmal normal schnell gelesen. Ihr findet den Link auf slowgerman.com. Außerdem gibt es bald weitere Absolute Beginner-Folgen und neue Slow-German-Folgen. Und ich gehe gerade auf Sponsorensuche, damit ich mehr Zeit in die Produktion dieses Podcasts stecken kann. Also keine Angst, Slow German ist nicht tot! Ich hoffe, Euch macht es genau so viel Spaß wie mir!
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg73kurz.pdf

SG #072: Tag der Deutschen Einheit
Am 3. Oktober feiern wir in Deutschland den Tag der Deutschen Einheit. Dieser Tag ist der deutsche Nationalfeiertag. Und zwar seit 1990. Es ist also ein relativ junger Feiertag. Er markiert die Wiedervereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, also von Ost- und West-Deutschland. Dieser 3. Oktober ist übrigens auch der einzige staatliche Feiertag – alle anderen Feiertage sind von den Bundesländern festgelegt. Das bedeutet: Den 3. Oktober feiert man in ganz Deutschland – viele andere Feiertage beispielsweise nur in Bayern und Baden-Württemberg oder in anderen Bundesländern.
Für mich persönlich hat dieser Tag eine besondere Bedeutung. Denn ich habe am 17. Juni Geburtstag. Und der 17. Juni war von 1954 bis 1990 der Tag der Deutschen Einheit. Als Kind hatte ich also immer an meinem Geburtstag frei, ich musste nicht in die Schule gehen.
Es gibt aber noch ein Datum, das mit dem Tag der Deutschen Einheit in Verbindung gebracht wird. Der 9. November. Denn am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Also überlegte man, diesen Tag zum Nationalfeiertag zu machen. Aber: Das Datum war das gleiche wie das der Reichspogromnacht. Am 9. November 1938 wurden über 1400 Synagogen, Geschäfte und Wohnungen von Juden und sogar Friedhöfe zerstört, viele Juden wurden umgebracht. Daher ist der 9. November kein Datum, das man feiern möchte. Also einigte man sich auf den 3. Oktober.
Aber auch diesen 3. Oktober fanden nicht alle Politiker gut. Denn ein neuer Feiertag bedeutet auch, dass an diesem Tag fast niemand arbeitet – und dadurch für diesen Tag keine Steuer an den Staat bezahlt wird. 500 Millionen Euro sollen dem Staat durch diesen einen Feiertag fehlen. Also überlegte die Regierung, den Tag der Deutschen Einheit zu verlegen – und zwar auf den ersten Sonntag im Monat Oktober. Aber dieser Plan wurde nicht umgesetzt.
Wie feiern wir Deutschen diesen Tag? Es gibt in einer Stadt in Deutschland ein so genanntes Bürgerfest. Dieses Jahr findet dieses Bürgerfest in München statt, zeitgleich übrigens mit dem Oktoberfest. Auch in Berlin wird an diesem Tag gefeiert. Ich kenne aber niemanden, der diesen Feiertag wirklich feiert. Wir freuen uns, dass wir an diesem Tag nicht arbeiten müssen – aber mehr auch nicht. Vielleicht ist das bei manchen Deutschen anders, aber hier im Süden ist es eben so.
Das war es schon wieder für heute – bald gibt es aber wieder neue Folgen, versprochen!
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg72kurz.pdf