Hauptfigur in dieser Geschichte ist König Ludwig II. Ich habe schon eine Episode über ihn und seine Cousine Sissi gemacht. Er war jung und extravagant. Er liebte Richard Wagner. Und als sein Großvater starb, hatte Ludwig plötzlich eine Menge Geld zur Verfügung. Also baute er sich ein Schloss. Er wollte weg von München, er wollte in Ruhe leben und sich zurückziehen. Der Ort war schnell gefunden: In der Nähe war bereits ein anderes Schloss, das Schloss Hohenschwangau. Es diente als Sommerresidenz seiner Mutter. Er kannte die Gegend also seit seiner Kindheit.
Ein Münchner Theatermaler lieferte also die Vorlage einer romantischen Ritterburg. Ein Architekt setzte die Idee dann um. Ein einfacher Chef war der König sicher nicht, denn er ließ sich alle Pläne genau vorlegen und setzte seine Ideen durch. Er hatte immer neue Wünsche, das Schloss wurde immer größer – und immer teurer. Aus dem kleinen Arbeitszimmer wurde ein großer Thronsaal. 1869 begann der Bau, hoch oben auf einem Felsen.Das Gebäude hat Türme und Giebel, Balkone, Zinnen und viele Schnörkel und Skulpturen. 200 Handwerker arbeiteten hier jeden Tag, sie verbauten 465 Tonnen Marmor, 1550 Tonnen Sandstein, 400.000 Ziegelsteine und 2050 Kubikmeter Holz.
Das Geld wurde knapp, Ludwig bezahlte das Schloss aus der eigenen Tasche, er verschuldete sich und musste Kredite aufnehmen. Ab 1884 konnte er endlich darin wohnen. Leider starb er zwei Jahre später, er war also nur 172 Tage lang im Schloss, das immer noch nicht fertig war, sondern eher einer Baustelle glich. Fertig sah er es nie. Statt der 3,2 Millionen Mark wie zu Beginn geplant kostete es bis zu seinem Tod fast 6,2 Millionen Mark.
Das liebe Geld spielt leider eine große Rolle in dieser tragischen Geschichte: Weil der König so viele Schulden hatte, wurde er entmündigt und für Regierungsunfähig erklärt. Er musste das Schloss verlassen. Einen Tag später ertrank er im Starnberger See.
Der König selbst wollte nicht, dass das Schloss für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Sechs Wochen nach dem Tod war es aber so. Die Menschen, die ins Schloss wollten, bezahlten Eintritt. So konnten die Schulden des verstorbenen Königs langsam beglichen werden. Nachdem 1918 die Republik ausgerufen wurde und es also keine Könige mehr in Bayern gab, gehörte das Schloss dem Staat. Und so ist es auch heute noch. Die beiden Weltkriege überstand es zum Glück ohne Schaden.
Heute ist das Schloss ein Touristenmagnet, pro Jahr kommen ungefähr 1,5 Millionen Menschen hierher. Wenn ich Besuch von Verwandten aus den USA haben, wollen sie auch alle dieses berühmte Schloss sehen. Es ist nicht idyllisch oder romantisch, sondern es sind überall lange Warteschlangen und unglaublich viele Menschen dort. Zumindest im Sommer. Ich erinnere mich an meinen letzten Besuch. Erst wanderten wir die Straße nach oben und wurden dabei von Kutschen überholt, die von Pferden gezogen wurden. Oben gab es dann drei verschiedene Warteschlangen, für japanische, englischsprachige und deutschsprachige Touristen.
Drinnen ist es für meinen Geschmack absolut kitschig – viel Gold und einfach zu viel von allem.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg237kurz.pdf
Weil Könige in der Regel mehrere Wohnsitze hatten und nicht nur in einem „Haus“ bzw. Schloss gewohnt haben. Sie waren auch oft unterwegs, auf Reisen.
Ab 1884 konnte er endlich darin wohnen. Leider starb er zwei Jahre später, er war also nur 172 Tage lang im Schloss, das immer noch nicht fertig war, …“
Wieso 172 Tage? Zwei Jahre sind doch länger?
Haha, that’s an added bonus!
Me and my husband love your podcast for learning German! but we recently found out that it can put our restless 4 year old to sleep within 10 minutes, the best sleeping aid! 🙂
Liebe Annik,
ich habe mich sehr über diese Episode gefreut,
weil ich früher in Füssen gewohnt habe. Und natürlich ist die Geschichte von Ludwig der Zweite sehr interessant für mich.
Könntest du vielleicht auch über Linderhof und Herrenchiemsee sprechen?
Hallo, Annik!
Vielen Dank für diese interessant Episode.
Ich habe vor 40 Jahren „Ludwig“ von Luchino Visconti gesehen und einmal das Schloss besucht. Ich bin froh darüber, die Geschichte des Schloss zu hören.
Tolles Geschichte, danke für es teilen.