Die Bundestagswahl 2025 – SG 292

Die Bundestagswahl 2025 – SG 292

Heute sprechen wir ausnahmsweise mal über ein aktuelles Thema, und zwar über die Bundestagswahl 2025. Die Wahl hat am 23. Februar stattgefunden, und die Ergebnisse stehen fest. Ich erkläre dir, was passiert ist, warum die Wahl so wichtig ist und wie die Geschichte der Bundestagswahl in Deutschland aussieht.

In Deutschland gibt es alle vier Jahre eine Bundestagswahl. Dabei wählen die Menschen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Der Bundestag ist das Parlament von Deutschland. Die Abgeordneten im Bundestag entscheiden über Gesetze, den Haushalt und viele andere wichtige Themen. Die Bundestagswahl ist also eine sehr wichtige Wahl, denn sie bestimmt, wer Deutschland regiert.

Die Bundestagswahl 2025 fand am 23. Februar statt. Millionen von Menschen sind zur Wahl gegangen oder haben vorher per Briefwahl abgestimmt. In Deutschland hat jeder Bürger und jede Bürgerin ab 18 Jahren das Recht zu wählen. Wohlgemerkt ist es nur ein Recht. Es ist keine Pflicht. Diesmal machten 82,5 Prozent Gebrauch von ihrem Wahlrecht. Das ist die höchste Wahlbeteiligung seit 38 Jahren.

Bei der Wahl haben die Menschen zwei Stimmen. Mit der ersten Stimme wählt man eine Person aus dem eigenen Wahlkreis. Mit der zweiten Stimme wählt man eine Partei. Die zweite Stimme ist besonders wichtig, weil sie bestimmt, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag bekommt. In Deutschland gibt es eine Fünf-Prozent-Hürde. Das bedeutet: Eine Partei muss mindestens fünf Prozent der Stimmen bekommen, sonst kommt sie nicht in den Bundestag. Diese Regel gibt es, damit nicht zu viele kleine Parteien im Parlament sitzen und es zu kompliziert wird.

Die Bundestagswahl 2025 war spannend. Viele Menschen haben über die Zukunft Deutschlands diskutiert. In den letzten Jahren gab es große Herausforderungen, zum Beispiel die Energiekrise, den Klimawandel und wirtschaftliche Probleme. Das größte Thema im Wahlkampf war allerdings die Migration. Es gab in den Monaten vor der Wahl einige terroristische Anschläge in Deutschland. Sie wurden von Männern aus Afghanistan oder Syrien begangen. Auch meine Stadt München war betroffen. Hier raste kurz vor der Wahl ein afghanischer Mann mit seinem Auto in einen Demonstrationszug. Eine Frau und ihr Kleinkind starben, viele weitere Menschen wurden verletzt. 

Taten wie diese lösten bei den Menschen verständlicherweise Angst und Bestürzung aus. Aber auch Wut. Das ist mit ein Grund, warum die konservative Union aus CDU/CSU die meisten Stimmen gewonnen hat. Zweitstärkste Partei war die in Teilen als rechtsextrem eingestufte Partei AfD. 

Olaf Scholz, der bisherige Bundeskanzler Deutschlands, und seine Partei, die SPD, haben sehr viele Wählerinnen und Wähler verloren. Die FDP, die ebenfalls in der Regierung war, hat ebenfalls viele Stimmen verloren und schaffte es nicht über die 5 Prozent-Hürde. Das bedeutet, dass sie im nächsten Bundestag gar nicht mehr vorhanden sein wird. Und die Grünen haben ebenfalls Stimmen verloren. Einige Politiker haben aus diesen Verlusten ihre Konsequenzen gezogen und werden sich aus der Politik zurückziehen. 

Warum war diese Wahl besonders? Zum einen, weil zum ersten Mal eine in Teilen rechtsextreme Partei die zweitstärkste Kraft ist. Allerdings haben die anderen Parteien schon lange gesagt, dass sie nicht mit dieser Partei zusammenarbeiten werden. Sie bleibt also in der Opposition. Das bedeutet, dass sie nicht in der Regierung ist, sondern sozusagen die Gegner der Regierung sind. Der zweite Grund ist, dass der Bundestag verkleinert wird. Viele Menschen hatten sich beklagt, dass der Bundestag zu groß war. 736 Abgeordnete gab es in der letzten Legislaturperiode. Und das ist sehr teuer für den Staat. Denn all diese Menschen haben zum Beispiel ihr eigenes Büro und Angestellte. Also gab es eine sogenannte Wahlrechtsreform. Der neue Bundestag wird also nur noch 630 Abgeordnete in Berlin haben.

Wer wird das sein? Klar ist, dass der Bundestag männlicher wird. Es sind sehr viel weniger Frauen im Bundestag. Das liegt daran, dass die Union und die AfD die meisten Menschen in den Bundestag schicken. Und diese konservativen Parteien haben nicht viele Frauen in ihren Reihen. Parteien wie die Linke, die SPD und die Grünen achten darauf, dass das Verhältnis ausgeglichen ist. Ihnen ist die Gleichberechtigung der Geschlechter wichtig. 

Nach der Wahl müssen die Parteien jetzt überlegen, wie sie eine Regierung bilden. In Deutschland gibt es fast nie eine einzige Partei, die alleine regieren kann. Deshalb gibt es meistens eine Koalition. Das bedeutet, dass sich zwei oder mehr Parteien zusammenschließen und gemeinsam regieren. Die letzte Regierung bestand aus drei Parteien: Der SPD, den Grünen und der FDP. 

Sehr wahrscheinlich wird die nächste Regierung aus der Union und der SPD bestehen. Das werden aber letztlich die Koalitionsverhandlungen zeigen. Das bedeutet, dass die Politiker untereinander verhandeln müssen, wie sie das Land regieren möchten. Sie müssen sich in manchen Punkten auf Kompromisse einigen. Am Ende steht dann ein Koalitionsvertrag. Dort steht alles drin, was die Parteien in ihren vier Jahren machen wollen. 

Das erste Bild von Verhandlungen hat in den sozialen Netzwerken bereits für Spott und Häme gesorgt. Es zeigt einen Tisch, an dem sechs Menschen sitzen. Es sind Politiker der CSU und CDU. Keine einzige Frau ist dabei. 

Bis Ostern soll die neue Regierung stehen, das ist derzeit das Versprechen. Sobald die Regierung steht, wird eine neue Bundeskanzlerin oder ein neuer Bundeskanzler gewählt. Das ist die wichtigste Person in der deutschen Politik. In der Geschichte Deutschlands gab es bisher nur eine Frau als Kanzlerin: Angela Merkel. Sie regierte von 2005 bis 2021. Der nächste Kanzler Deutschlands ist sehr sicher Friedrich Merz von der CDU. Er war drei Tage nach der Wahl bereits bei einem Besuch in Frankreich und schüttelte dort Emmanuel Macron die Hand. 

Für mich war diese Wahl übrigens auch etwas Besonders: Ich hatte mich zum ersten Mal als Wahlhelferin gemeldet. Denn es braucht Hunderttausende von Freiwilligen, die bei der Wahl helfen. Wir haben den ganzen Sonntag von 8 bis 18 Uhr dafür gesorgt, dass alle Menschen geheim und sicher ihre Kreuzchen machen konnten. Nach 18 Uhr haben wir die Stimmzettel ausgezählt und das Ergebnis in unserem Wahlkreis ermittelt. Das war eine sehr interessante Erfahrung. 

Und was sage ich zum Wahlergebnis? Ich bin kein konservativer Mensch, daher bin ich enttäuscht. Ich hätte mir mehr Mut zu Veränderungen gewünscht und ich finde, wir müssen dringend etwas gegen die Klimakrise unternehmen. Das ist allerdings ein Thema, das die Konservativen leider kaum interessiert. 

Ich finde es auch schlimm, dass die AfD so viele Stimmen bekommen hat. Ich kann nicht verstehen, wie man eine Partei wählen kann, die nur für Reiche Vorteile bieten möchte und für viele Probleme keinerlei Lösungsvorschläge hat. Sie verbreitet Hass und Hetze, spaltet unser Land und stört damit den inneren Frieden. Bei Debatten im Bundestag stört sie, indem sie ständig Zwischenrufe macht. Eine sachliche Diskussion ist so kaum möglich. Die menschengemachte und von der Wissenschaft bestätigte Klimakrise leugnet sie. Und sie schiebt die Schuld für alle Probleme auf Menschen aus dem Ausland. Aber genau ohne diese Menschen wird unser Land nicht gut weiterleben können – denn Krankenhäuser sind zum Beispiel angewiesen auf ausländische Fachkräfte. Und auch die Rente wird zu einem beträchtlichen Teil von Menschen mit Migrationshintergrund finanziert.

Wir werden sehen, was all das mit Deutschland macht.

Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg292kurz.pdf 

Demonstrationen gegen Rechtsextremismus – SG 270

Demonstrationen gegen Rechtsextremismus – SG 270

Ich war im Januar und Februar zwei Mal mit meiner Familie in München auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass. Es ist wichtig, gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. So können wir für eine gerechte und vielfältige Gesellschaft einstehen. Die Geschichte zeigt, dass Rechtsextremismus zu Gewalt, Diskriminierung und Unrecht führen kann. Durch friedliche Demonstrationen können Menschen gemeinsam für eine bessere Zukunft eintreten. Und wir können so zeigen, dass wir viele sind. Wir sind die Mehrheit. Das ist auch ein wichtiges Zeichen für das Ausland. Sonst denkt Ihr da draußen vielleicht, in Deutschland leben nur Nazis. Das ist nicht so!

In der Vergangenheit hat der Rechtsextremismus in Deutschland und anderswo schwere Schäden angerichtet. Während des Nationalsozialismus führte die Ideologie der Nazis zu Krieg, Völkermord und unermesslichem Leid. Diese schmerzhafte Geschichte erinnert uns daran, wie wichtig es ist, gegen extremistische Ideologien vorzugehen.

Heutzutage gibt es immer noch rechtsextreme Gruppen, die Hass verbreiten und für Spaltung in der Gesellschaft sorgen. Wenn wir sie ignorieren, fühlen sie sich gestärkt. Es wird dann immer normaler, rechtsextreme Parolen zu rufen oder sich in den sozialen Netzwerken rassistisch zu äußern. Das darf aber nicht normal werden. Durch Demonstrationen können Menschen ein starkes Zeichen setzen, dass sie für Toleranz, Gleichberechtigung und Menschenrechte eintreten. Gemeinsam können sie zeigen, dass sie sich nicht von Hass beeinflussen lassen und für eine demokratische Gesellschaft stehen, in der jeder respektiert wird.

Friedliche Demonstrationen bieten auch die Möglichkeit, die Öffentlichkeit aufzuklären und Bewusstsein zu schaffen. Menschen können ihre Stimme erheben und zeigen, dass sie nicht gleichgültig gegenüber extremistischen Ideologien sind. Es ist wichtig, auf Fakten basierende Informationen zu teilen und Vorurteile zu entkräften, um eine informierte und aufgeklärte Gesellschaft zu fördern.

Schön finde ich bei den Demonstrationen auch immer die friedliche und kreative Stimmung. Die  Menschen nutzen Kunst, Musik und humorvolle Aktionen, um ihre Botschaft zu verbreiten. Sie überlegen sich lustige und gute Sprüche, die sie auf Schilder malen. Oder sie basteln große, beleuchtete Peace-Zeichen. Dies zeigt, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus nicht nur ernsthaft, sondern auch kreativ sein kann. Humor kann eine effektive Waffe gegen Hass sein und Menschen zusammenbringen.

Im November haben Journalisten recherchiert, dass es ein erschreckendes Treffen gab. Bestimmte Menschen planten dort, in Deutschland lebende Ausländer auszuweisen. Seitdem gehen in vielen Städten Deutschlands Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Die sogenannte schweigende Mehrheit ist laut geworden. 

In Deutschland gibt es viele Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Sie organisieren regelmäßig Demonstrationen und Veranstaltungen, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu lenken. Diese Organisationen setzen sich für Bildung, Aufklärung und den Schutz von Minderheiten ein. Hier in München haben auch Aktivisten wie Fridays for Future mitgeholfen, die Demos zu organisieren. 

Es ist wichtig zu betonen, dass Demonstrationen gegen Rechtsextremismus nicht nur von bestimmten Gruppen getragen werden sollten. Alle Teile der Gesellschaft können und sollten sich daran beteiligen. Gemeinsam können Menschen verschiedener Hintergründe und Überzeugungen ein starkes Signal gegen Hass und Intoleranz senden. Es geht um unsere demokratischen Grundwerte. 

Es ist auch wichtig zu erkennen, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus nicht aufhört, wenn eine Demonstration vorbei ist. Es erfordert eine kontinuierliche Anstrengung, um Bildung, Dialog und Zusammenarbeit zu fördern. Menschen müssen sich aktiv für eine inklusive und respektvolle Gesellschaft einsetzen, in der Extremismus keinen Platz hat.

Bei der ersten Demo in München kamen so viele Menschen, dass die Polizei die Veranstaltung abbrechen musste. Es war zu gefährlich. Die zweite Demo verlegte man dann auf die Theresienwiese, das ist ein großer Platz mitten in München, auf dem immer das Oktoberfest stattfindet. Hier hatten wir genug Platz, und es kamen bis zu 300.000 Menschen, die dann Lichter hochhielten, denn das Thema war „Lichtermeer“. Es war ein toller Moment, der mir Hoffnung und Mut gegeben hat. 

Wenn Du Dich fragst, was Du noch tun kannst, um Dich für die Demokratie zu engagieren: Du kannst in eine demokratische Partei eintreten. Die Parteien in Deutschland haben im Januar 2024 einen deutlichen Zuwachs an Mitgliedern festgestellt. So haben sie mehr Geld, um sich gegen Rechtsextremismus zu wehren und für unsere demokratischen Werte zu kämpfen. Und natürlich kannst Du in einer Partei auch aktiv selber Politik machen.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg270kurz.pdf

Deutschlands neuer Kanzler: Olaf Scholz – SG #244

Deutschlands neuer Kanzler: Olaf Scholz – SG #244

Deutschland hat einen neuen Kanzler. Er heißt Olaf Scholz. Ich erzähle Dir heute, wer das ist.

16 Jahre lang war Angela Merkel unsere Kanzlerin. Jetzt hat sich das geändert. Denn im September wurde gewählt. Drei Parteien konnten die Mehrheit der Stimmen für sich gewinnen und haben sich zusammengetan, und wir haben jetzt eine Koalition aus SPD, FDP und den Grünen. Da die Farben dieser Parteien rot, gelb und grün sind, wird die Koalition „Ampel“ genannt. Einige Monate hat es gedauert, bis sich diese drei Parteien auf gemeinsame Ziele einigen konnten. Das nennt man Koalitionsvertrag. Und dann galt es eine neue Regierung zu bilden. Das sind also die Minister und der Kanzler. Es gibt jetzt 7 neue Ministerinnen und 7 Minister. Und einen neuen Kanzler, Olaf Scholz von der SPD.

Am Mittwoch, 8. Dezember 2021, wurde er zum neuen Kanzler. Wie geht das? Im Bundestag steht der Punkt „Wahl des Bundeskanzlers“ an diesem Tag auf der Tagesordnung. Das heißt, dass die im September neu gewählten Abgeordneten des Bundestages wählen dürfen. Bekommt Olaf Scholz mindestens 369 Stimmen, ist er im ersten Durchgang gewählt. Die Koalition hat momentan 416 Stimmen. Diskutiert wird über diese Sache nicht – jede und jeder Abgeordnete darf geheim seine Stimme abgeben. Bei Merkel dauerte das ungefähr eine Stunde. Wenn alle gewählt haben, verkündet die Bundestagspräsidentin das Ergebnis. Dann wird Olaf Scholz gefragt, ob er die Wahl annimmt. Danach geht er auf eine kleine Reise: Er muss ins Berliner Schloss Bellevue fahren, wo der Bundespräsident auf ihn wartet. Der muss ihn nämlich noch offiziell ernennen. Dann muss Scholz wieder zurück in den Bundestag, um dort vereidigt zu werden. Und dann muss er wieder ins Schloss Bellevue, denn dort wird der Bundespräsident noch die neuen Bundesministerinnen und Bundesminister ernennen. Dann geht es wieder in den Bundestag, wo diese vereidigt werden. Am Nachmittag übergibt dann Angela Merkel offiziell ihr Amt an Olaf Scholz. Ein langer Tag, oder? 

Olaf Scholz ist kein Unbekannter in Deutschland. Er war seit 2018 Vizekanzler, also der Stellvertreter der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und er war Finanzminister. Was noch? Er war früher Bundesminister für Arbeit und Soziales und auch mal Erster Bürgermeister von Hamburg. Schauen wir uns diesen Mann genauer an.

Olaf Scholz wurde 1958 in Osnabrück, also in Niedersachsen, geboren. Er studierte Jura und wurde Rechtsanwalt. Schon 1975, da ging er noch zur Schule, wurde er politisch aktiv. Und zwar gleich bei der SPD. Er begeisterte sich so sehr für die Politik, dass er verschiedene Ämter hatte. Zum Beispiel wurde er Vorsitzender eines SPD-Kreisverbandes und später auch Vorsitzender der SPD Hamburg. Von der regionalen Politikarbeit ging es dann nach oben: Er wurde 2002 Generalsekretär der SPD. Und dann war er eben Vizekanzler, als die CDU/CSU mit der SPD eine große Koalition bildeten. Privat ist er verheiratet und kinderlos.

Angela Merkel gab eines Tages bekannt, dass sie nicht noch einmal als Kanzlerin zur Verfügung stehen würde. Das Rennen war eröffnet. Alle Parteien überlegten, welche Kandidatinnen und Kandidaten sie in den Wahlkampf schicken würden. Wer also die größten Chancen hatte, das Amt zu übernehmen. Die SPD entschied sich für Olaf Scholz. Für die Grünen ging Annalena Baerbock in den Wahlkampf und für die CDU/CSU Armin Laschet. Diese drei Menschen sah man also diesen Sommer sehr oft im Fernsehen bei Debatten. 

Was ist nun Olaf Scholz für ein Mensch? Nun, ich kann das natürlich nicht beurteilen, ich kenne ihn nicht persönlich. Er wirkt sehr sachlich und nüchtern auf mich. Er ist niemand, der poltert oder ausflippt, niemand der emotional wird. Er bleibt sachlich und ruhig und lässt sich nur schwer provozieren. Das hat ihm auch den Namen „Scholzomat“ eingebracht. In der SPD gilt er eher als konservativ. Dennoch macht er sich für Klimapolitik stark, was ich enorm wichtig finde. 

Kritik gab es in der Vergangenheit vor allem in zwei Punkten. Zum einen ging es darum, wie er den G20-Gipfel 2017 in seiner Stadt Hamburg begleitete. Damals kam es vor Ort zu Ausschreitungen, also zu Kämpfen zwischen Demonstranten und der Polizei. Es gab Ermittlungsverfahren gegen Polizisten. Der Vorwurf: sie seien zu brutal gegen die Demonstranten vorgegangen. 

Der zweite Kritikpunkt betrifft eine komplizierte Sache, und zwar die Cum-Ex-Geschäfte einer Bank. Das zu erklären ist hier zu schwierig. Letzten Endes geht es um illegale Finanzgeschäfte einer Bank. Das Hamburger Finanzamt hätte Steuern von dieser Bank zurückbekommen können – hat dieses Geld aber nie bekommen. Welche Rolle Scholz in dieser Sache genau gespielt hat, kann ich nicht beurteilen. 

Was bedeutet der neue Kanzler nun für Deutschland? Ich bin gespannt. Mir gefällt die neue Regierung. Es sind viele junge Ministerinnen und Minister – und die Hälfte von ihnen sind Frauen. Das wirkt also alles sehr gut auf mich. Ob sie nun alle ihre Arbeit gut machen oder nicht, das ist die Frage. Ich freue mich jedenfalls, dass ein ruhiger, sachlicher Mann das Ruder übernimmt. Vom Temperament her ist er also keine große Veränderung zu Angela Merkel. Seine Amtszeit wird schwer werden, denn die Pandemie ist noch nicht vorbei und Deutschland geht es nicht gut. Ich wünsche ihm und seiner Regierung jedenfalls gutes Gelingen. Und ich hoffe, dass die Opposition, also die Parteien die nicht in der Regierung sind, sachlich bleibt und mithilft. Wir werden sehen.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg244kurz.pdf

Bundestagswahl 2021 in Deutschland – SG #241

Bundestagswahl 2021 in Deutschland – SG #241

In Deutschland gibt es momentan nur drei Themen: Die Corona-Pandemie, die Klimakrise und die Bundestagswahl. Am 26. September wird in Deutschland gewählt, und diese Wahl ist etwas Besonderes. Denn danach haben wir einen neuen Kanzler – oder eine neue Kanzlerin. Überall hängen Wahlplakate, im Fernsehen laufen zahllose Politik-Sendungen, und sogar Kinder diskutieren über das Thema, wie ich letztens gehört habe.

Jeder deutsche Staatsbürger und jede deutsche Staatsbürgerin darf ab dem Alter von 18 Jahren wählen. Über das Wahlalter wird übrigens diskutiert – manche Parteien möchten auch jüngeren Menschen erlauben, an Wahlen teilzunehmen. Bis jetzt liegt die Grenze aber bei 18 Jahren.

Zum ersten Mal dürfen bei dieser Bundestagswahl auch behinderte, schuldunfähige und psychisch kranke Menschen teilnehmen – das hat das Bundesverfassungsgericht 2019 beschlossen. Das sind immerhin 85.000 Deutsche.

Blicken wir mal zurück zur letzten Bundestagswahl. Die fand 2017 statt. Damals wählten 76,2 Prozent aller Menschen, die wahlberechtigt waren. Man kann auch sagen: Die Wahlbeteiligung lag bei 76,2 Prozent. Gewonnen hat damals die Union, das sind die beiden Parteien CDU und CSU, mit 32,9 Prozent. Danach kam die SPD mit 20,5 Prozent, die AfD mit 12,6 Prozent, die FDP mit 10,7 Prozent und die Linke mit 9,2 Prozent. Die Grünen waren damals bei 8,9 Prozent. Das bedeutete, dass die AfD zum ersten Mal in den Bundestag kam. Dafür muss eine Partei nämlich über die sogenannte 5-Prozent-Hürde kommen. Mehr zum politischen System gibt es übrigens in Folge 31 von Slow German.

Ihr habt es schon ausgerechnet: Eine absolute Mehrheit hatte die Union damals nicht. Also musste sie sich sozusagen einen Partner suchen. Man nennt das „Sondierungsgespräche“. Da sprechen die Politiker und Politikerinnen verschiedener Parteien miteinander um zu sehen, ob eine Kooperation möglich ist. Vier Wochen dauerte das. Letzten Endes wurde es eine sogenannte Große Koalition, also eine Regierung aus SPD und Union. Soviel zum Rückblick. Kanzlerin blieb Angela Merkel, die diesen Job seit 2005 macht.

Bei der diesjährigen Bundestagswahl sieht die Sache etwas anders aus. Angela Merkel hat gesagt, dass sie nicht mehr Kanzlerin sein möchte. Also streiten sich gerade drei Menschen in Deutschland darum, wer der beste Kanzler oder die beste Kanzlerin wäre. Man nennt sie Kanzlerkandidat und Kanzlerkandidatin. Für die SPD tritt Olaf Scholz an, er war Bürgermeister von Hamburg und ist jetzt Finanzminister. Für die Union geht Armin Laschet ins Rennen, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Und für die Grünen tritt Annalena Baerbock an, sie wäre mit 40 Jahren die jüngste Kanzlerin, die Deutschland je hatte – und die einzige mit Kindern. Diese drei liefern sich nun also Fernseh-Debatten, sie geben unzählige Interviews und machen Wahlkampf. Es gab kleine und größere Skandale – und wir sind gespannt, wer gewinnt. In der aktuellen Umfrage zwei Wochen vor der Wahl führt die SPD, gefolgt von der Union und den Grünen.

Es gibt aber natürlich weitaus mehr Parteien als die genannten. Insgesamt machen 47 Parteien bei der Bundestagswahl mit, es ist also ein sehr langer Zettel, auf dem wir unsere beiden Kreuzchen machen dürfen. Ich kann das bestätigen, denn ich habe schon per Briefwahl gewählt. Normalerweise gehe ich in das nächste Wahllokal, um dort zu wählen. Bei uns hier ist das in der Grundschule, ich habe aber auch schon im Gebäude einer Feuerwehr-Station gewählt. Dieses Mal muss ich am Wahlsonntag arbeiten, also habe ich per Briefwahl gewählt.

Ich konnte zwei Stimmen abgeben: Die Erststimme und die Zweitstimme. Bei der Erststimme standen die Kandidaten und Kandidatinnen, die hier bei mir in der Region für ihre Parteien antreten. Es gibt in Deutschland 299 Wahlkreise, in jedem leben ungefähr 250.000 Menschen. Und mit meiner Erststimme habe ich also einen Menschen aus meinem Wahlkreis gewählt. Wer die meisten Stimmen in einem Wahlkreis bekommt, darf mit einem sogenannten Direktmandat nach Berlin in den Bundestag. Es gibt dann also 299 Bundestags-Abgeordnete, für jeden Wahlkreis ist das ein Politiker oder eine Politikerin.

Wichtiger ist aber die Zweitstimme: da geht es um die Partei. Welche Partei bekommt die meisten Zweitstimmen und bekommt damit mehr Platz im Bundestag? Wer 20 Prozent der Zweitstimmen hat bekommt auch mindestens 20 Prozent der Sitze im Bundestag. Mal vereinfacht gesagt. Dann gibt es noch einige Besonderheiten im deutschen Wahlrecht, die lasse ich hier aber mal weg. Bis zu 1000 Abgeordnete könnte unser neuer Bundestag haben – so viele wie noch nie. Und das wird übrigens auch ganz schön teuer…

So, jetzt weißt Du also, wie sich der deutsche Bundestag zusammensetzt. Aus jeder Region sind Menschen dort, und die Parteien sind unterschiedlich stark vertreten, je nachdem wie wir sie wählen. Dann müssen sie sich noch zu Koalitionen zusammenschließen, um eine Mehrheit zu haben. Nur so können sie Entscheidungen treffen. Und wie kommen wir nun zu einer neuen Kanzlerin oder einem neuen Kanzler? Der Bundespräsident schlägt jemanden vor, der gute Chancen für das Amt hat – dieses Jahr also Laschet, Baerbock oder Scholz. Dann wird im Bundestag geheim gewählt: Mit absoluter Mehrheit können sich die Abgeordneten für den vorgeschlagenen Kandidaten oder die Kandidatin entscheiden. Danach muss der Bundespräsident ihn oder sie noch ernennen, das ganze also offiziell machen. Wir müssen also noch etwas Geduld haben, bis wir wissen, wer Deutschland in Zukunft regiert. Bis dahin macht Angela Merkel einfach weiter.

Übrigens gibt es zu jeder Wahl in Deutschland den Wahl-O-Mat. Das ist eine Internetseite und eine App, bei der man Fragen beantworten kann – und am Ende erfährt man, welche Partei am besten zu den eigenen Antworten passt. Mach doch einfach mal mit!

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg241kurz.pdf

SG #163: Bürgerinitiative und Bürgerbegehren

SG #163: Bürgerinitiative und Bürgerbegehren

Ich habe Euch schon vom politischen System in Deutschland erzählt. Also von unseren Parteien, der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten. Heute möchte ich Euch von der Bürgerinitiative in Deutschland erzählen.

Was ist eine Bürgerinitiative? Nehmen wir ein Beispiel. Eine Gruppe von Menschen möchte eine bestimmte Sache ändern. Dann kann sie genau für diese Sache eine Bürgerinitiative gründen. Anders als die Parteien, die viele verschiedene Probleme lösen möchten, konzentriert sich diese Bürgerinitiative auf ein einzelnes Problem.

Bürgerinitiativen haben eine lange Geschichte in Deutschland. Schon 1501 schlossen sich die Menschen zusammen, als es um die Bestattung von Pesttoten ging. 1947 wollten die Menschen den Wald schützen. Es gibt also viele verschiedene Gründe, eine Bürgerinitiative zu starten.

Was kann so eine Bürgerinitiative tun? Zunächst einmal kann sie zum Beispiel Demonstrationen organisieren, um mehr Menschen auf ihr Ziel aufmerksam zu machen. Sie kann auch Unterschriften sammeln und eine Petition starten. Zu guter letzt kann es zu einem Bürgerbegehren kommen – aber dazu gleich mehr.

Meistens kümmern sich solche Bürgerinitiativen um Dinge, die mit der Umwelt zu tun haben. Sie wehren sich beispielsweise gegen den Bau einer weiteren Startbahn am Flughafen. Oder sie fordern den Neubau einer Umgehungsstraße, die einen Ort entlasten soll. Es sollen nicht so viele Autos durch den Ort fahren, sondern außen herum. Sie können auch fordern, dass ein neuer Kindergarten gebaut wird oder eine Lärmschutzwand.

Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass Bürgerinitiativen basisdemokratisch sind. Die Bürger selbst beschließen, dass sich etwas ändern muss – und packen es dann an. Meist finden die Bürger, dass die etablierten Parteien nicht genug unternehmen, um das Problem zu lösen, und wollen es dann selber in die Hand nehmen.

Nehmen wir an, wir gründen also eine Bürgerinitiative. Wir wollen den Bau einer lauten Straße verhindern. Dann können wir dafür beispielsweise einen Verein gründen, um der Gruppe eine Struktur zu geben. Dann fangen wir an, zu demonstrieren und Unterschriften zu sammeln. Wir brauchen eine bestimmte Zahl an Unterschriften – das ist genau festgelegt. In München sind es beispielsweise 34.000 Unterschriften. Diese Zeit des Sammelns nennt man Bürgerbegehren. Wenn ausreichend Unterschriften gesammelt wurden, gibt es einen Bürgerentscheid. Das bedeutet, dass die Menschen zu einer Wahl eingeladen werden. Sie gehen in ihr Wahllokal – das sind meistens Schulen – und müssen dann ein Kreuz machen, entweder bei „Ja“ oder bei „Nein“. Wenn genügend Menschen sich an dieser Wahl beteiligen, dann gilt dieser Bürgerentscheid.

Hier in München gab es im letzten Herbst einen Bürgerentscheid. Damals sollten wir Bürger darüber entscheiden, ob ein Steinkohlekraftwerk in München abgeschaltet werden soll. Die Bürger stimmten mit „Ja“.

Das heißt aber noch lange nicht, dass die Entscheidung sofort umgesetzt wird. Zum Beispiel haben sich die Münchner 2012 auch gegen eine dritte Startbahn am Flughafen ausgesprochen – ob sie nun aber gebaut wird oder nicht ist weiterhin unklar. Die Stimme der Bürger ist so gültig und wertvoll wie zum Beispiel ein Beschluss des Stadtrats.

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg163kurz.pdf