von Annik Rubens | 31. Oktober 2007 | Feiertage & Feste, SG Podcast-Episode
Der erste Schnee ist hier in München schon letzte Woche gefallen. Immer wenn es langsam kalt wird und der Winter beginnt, freue ich mich. Denn das bedeutet, dass Allerheiligen bevorsteht. Ich gebe zu, nicht viele Menschen hier in Deutschland freuen sich auf diesen Tag. Es ist ein katholischer Feiertag, der immer am 1. November begangen wird. Und eigentlich steckt dahinter ein sehr trauriger Anlass: Man denkt an die Toten.
Ich möchte Euch nun aber mal erzählen, wie das in meiner Familie aussieht. Vor über 25 Jahren ist mein Opa gestorben. Ich war damals ein kleines Kind. Wie es der Brauch und die Tradition will, sind meine Eltern und ich damals am 1. November an das Grab meines Opas gefahren. Und so machen wir es seitdem jedes Jahr.
Der Tag beginnt bei uns damit, dass wir uns im Elternhaus meiner Mutter treffen. Dort kommt die ganze Familie zusammen, drei Generationen, aus ganz Deutschland. Wir gehen zusammen Mittag essen, und danach ziehen wir uns besonders warm an. Wir spazieren hinüber zum alten Friedhof und besuchen erst einmal andere Gräber. Die Gräber von Verwandten oder Freunden. Dort stehen jeweils deren Familien, und man spricht kurz miteinander. Dann stellt man sich an das eigene Familiengrab. In katholischen bayerischen Gemeinden wie der, in die ich immer fahre, steht beinahe an jedem Grab jemand. Dann beginnt ein Gottesdienst. Ein Pfarrer spricht und betet, eine Blaskapelle spielt traurige Lieder. Dann werden die Gräber gesegnet, der Pfarrer geht mit Weihwasser über den Friedhof.
Nach einer Stunde ist man durchgefroren. Man geht nach Hause und wir sitzen dann noch bis spät abends beisammen. Wir trinken Kaffee, essen Kuchen und essen später zu Abend. Es ist für mich ein wunderschöner Tag, denn zum einen finde ich es wichtig, an die Toten zu denken, zum anderen ist es der einzige Tag im Jahr, an dem die ganze Familie zusammen ist.
In Bayern hat man an diesem Tag übrigens frei. Man muss nicht arbeiten. Wir haben viele religiöse Feiertage hier.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg15kurz.pdf
von Annik Rubens | 21. September 2007 | Feiertage & Feste, SG Podcast-Episode
Heute möchte ich Euch aus aktuellem Anlass etwas über das Oktoberfest erzählen. Denn das beginnt morgen hier in München. Ihr kennt es sicher alle, denn das Oktoberfest ist das größte Volksfest der Welt. Jedes Jahr besuchen rund sechs Millionen Menschen das Oktoberfest!
Alles begann im Jahr 1810. Kronprinz Ludwig heiratete Prinzessin Therese damals im Oktober. Auf einer Wiese außerhalb der Stadt veranstalteten sie zur Feier des Tages ein Pferderennen. Seitdem heißt die Wiese Theresienwiese. Mittlerweile ist die Stadt so sehr gewachsen, dass die Wiese nicht mehr am Rand der Stadt liegt, sondern mittendrin. Mittlerweile haben wir hier auch so etwas ähnliches wie die Freiheitsstatue in New York: Die Bavaria wacht mit einem Löwen an ihrer Seite über die Wiese. Man kann in ihren Kopf klettern und hat von dort einen wunderbaren Ausblick über die Stadt.
Jedes Jahr findet das Oktoberfest statt, es sei denn es herrschte Krieg oder die Stadt wurde von einer Cholera-Epidemie befallen. Weil es in München aber im Oktober manchmal schon sehr kalt ist, beschloss man, das Fest vorzuverlegen. Jetzt findet es im September statt – nur das letzte Wochenende ist im Oktober. Das Oktoberfest dauert immer drei Wochenenden, manchmal wird es etwas verlängert. Es dauert also immer 16 bis 18 Tage lang.
Die Gäste sind international. Die Münchner selbst gehen oft mit ihren Firmenkollegen auf das Oktoberfest, es kommen aber auch viele Australier und Japaner zum Feiern und Trinken hierher. Typisch ist, dass schon einige Wochen vor dem Beginn des Oktoberfests Italiener mit ihren Wohnwagen hier auftauchen. Sie parken die Wohnwägen am Rand der Theresienwiese und haben so ein perfektes Quartier – auch betrunken können sie so noch in ihr Bett wanken. Während des Wochenendes, an dem die meisten Italiener in München sind, werden übrigens im Radio auch die Verkehrsdurchsagen auf italienisch gemacht.
Eröffnet wird das Oktoberfest immer am Samstagmittag vom Oberbürgermeister. Das ist in München derzeit Christian Ude. Er steht dann vor einem riesigen Fass Bier und muss es anzapfen. Also das erste Bier ausschenken. Er ruft dann „Ozapft is“, und die Wies’n ist eröffnet.
Ich fahre am liebsten mit dem Riesenrad. Es wurde 1880 zum ersten Mal aufgestellt und war damals zwölf Meter hoch. Heute ist es 48 Meter hoch und man hat einen wunderbaren Blick auf die Stadt.
Neben Geisterbahnen, Autoscootern, Achterbahnen und ähnlichen Vergnügungsständen gibt es natürlich vor allem viele riesige Bierzelte auf der Wies’n. Man wird hier aber kein Heineken- oder Guiness-Zelt finden – auf dem Oktoberfest dürfen nur Münchner Traditionsbrauereien ihr Bier verkaufen. Das sind beispielsweise Löwenbräu, Paulaner, Augustiner oder Hacker-Pschorr. Das Hofbräu-Festzelt ist das größte und fasst 10.000 Besucher. Wenn eines der 14 großen Zelte voll ist, werden die Türen geschlossen. Erst wenn wieder einige Besucher gegangen sind, werden sie wieder geöffnet. Manchmal schließen die Zelte schon gegen elf Uhr vormittags ihre Türen, so viele Besucher sind hier.
Im Zelt trinkt man Bier in Literkrügen, den so genannten Maßkrügen. Dazu isst man Riesenbrezen mit Käse, Rettich (der in Bayern Radi heißt), gebratene Hähnchen oder sogar Ochsen. Ganze Ochsen drehen sich in einem Zelt um einen riesigen Grillspieß.
Immer mehr Münchner übrigens gehen wieder in traditionellen Trachten auf die Wies’n. Das heißt dass die Frauen ein Dirndl tragen, also ein Kleid mit Schürze, und die Männer eine Lederhose. Zwei Monate vor dem Oktoberfest eröffnen in München dann plötzlich überall Geschäfte, die diese Trachten verkaufen – danach sind sie wieder verschwunden.
Das Oktoberfest soll ein traditionelles Volksfest bleiben, das ist den Münchnern sehr wichtig. Es soll nicht nur um Alkoholexzesse gehen, sondern ruhig und familienfreundlich sein. Deswegen dürfen die Blaskapelle in den Zelten seit einiger Zeit nur noch relativ leise spielen, bis 18 Uhr abends müssen sie traditionelle Blasmusik spielen. Erst abends dürfen sie dann Pop und Schlagermusik anstimmen.
Ich wohne zum Glück nicht in der Nähe des Oktoberfestes. Meistens gehe ich auch nicht hin, es sind mir zu viele Menschen dort, es ist zu laut. Aber ich merke trotzdem, dass gerade Wiesn-Zeit ist: Denn auch hier, wo ich wohne, laufen viele Menschen in Tracht rum und gehen sogar so zur Arbeit.
So, das war mein Thema für heute. Ich werde am Sonntag zum Trachtenumzug gehen – da marschieren viele Gruppen aus ganz Europa in ihren Trachten durch München, mit Pferdekutschen und Musikkapellen.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg14kurz.pdf
von Annik Rubens | 13. September 2007 | Deutsche Medien, SG Podcast-Episode
Heute möchte ich Euch etwas über stumme Verkäufer erzählen. Was ein Verkäufer ist, wisst Ihr sicher: Er arbeitet in einem Laden und verkauft Waren. Das kann eine Bäckerei sein oder eine Metzgerei, ein Kiosk oder ein Supermarkt. Was aber ist ein stummer Verkäufer?
Ganz einfach: Ein stummer Verkäufer ist ein Kasten aus Metall, der auf vier Füßen steht. In diesem Kasten sind Zeitungen. Aktuelle Tageszeitungen. Oben ist dann noch eine Schlagzeile zu lesen, die neugierig machen soll auf die Zeitung. Diese Kästen nennt man in Deutschland stumme Verkäufer. Stumm ist jemand der nicht spricht.
Ich weiß, dass es Zeitungskästen natürlich auch in anderen Ländern gibt. Aber in Amerika zum Beispiel muss man erst Geld einwerfen, bevor man sie öffnen kann um eine Zeitung zu entnehmen. In München kann man einfach den Deckel anheben und sich eine Zeitung nehmen. Natürlich soll man Geld einwerfen, aber die Kästen sind keine Automaten. Man vertraut auf die Ehrlichkeit der Kunden.
Da die Münchner aber genauso unehrlich sind wie alle anderen Menschen, werden hin und wieder Kontrollen gemacht. Das Prinzip ist so ähnlich wie bei der U-Bahn: Während in anderen Städten wie Paris, London oder New York ein Zutritt zur U-Bahn nur mit einem Ticket möglich ist, kann man in München oder Berlin einfach in den Zug einsteigen. Kontrolliert wird nur in Stichproben – auch hier vertraut man auf die Ehrlichkeit der Bürger.
Zur Zeitungslandschaft in Deutschland kann man viel sagen, ich möchte Euch aber nur einige Zeitungen vorstellen. Die am meisten verkaufte Zeitung in Deutschland ist die BILD-Zeitung. Sie ist eine Boulevardzeitung, zu erkennen an riesigen Überschriften, nackten Frauen auf dem Cover und Skandal-Geschichten über Prominente. In Städten wie München gibt es zusätzlich noch weitere kleine Boulevardzeitungen wie die Abendzeitung.
Neben regionalen Zeitungen gibt es auch überregionale Zeitungen. Diese werden nicht nur in einer bestimmten Stadt oder einer bestimmten Region verkauft, sondern in ganz Deutschland. Ein Beispiel ist die Süddeutsche Zeitung oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Übrigens nennen wir Magazine in Deutschland Zeitschriften. Gemeint sind farbig gedruckte Zeitschriften in Heftform. Am bekanntesten ist hier der Spiegel, der einen sehr guten journalistischen Ruf hat und jeden Montag erscheint.
Alle diese Zeitungen und Zeitschriften haben übrigens mittlerweile eigene Internetseiten. Schmökert doch ein wenig herum! Den Spiegel gibt es auch auf Englisch zu lesen, falls das für Euch einfacher ist.
So, das war mein Thema für heute. Ein Foto von einem stummen Verkäufer stelle ich Euch ins Internet, und zwar auf slowgerman.com und natürlich auch bei Flickr.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg13kurz.pdf
von Annik Rubens | 14. August 2007 | Alltag, Natur und Umwelt, SG Podcast-Episode
Was ist typisch Deutsch? Pünktlichkeit? Zuverlässigkeit? Rauhaardackel? Dirndl? Oder doch eher das Müll-Recycling? Ich weiß, für viele Menschen aus anderen Ländern wirkt es seltsam, was wir mit unserem Müll machen. Seit vielen Jahren wandert immer weniger davon in die Mülltonne, und immer mehr davon wird von uns gesammelt. Es gibt viele verschiedene Systeme, in jedem Bundesland ist das anders, manchmal sogar von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Ich erzähle Euch jetzt mal, wie ich hier in München mit meinem Müll umgehe.
Zunächst einmal gibt es die Möglichkeit, direkt im Supermarkt zum Beispiel die Cornflakes-Tüte aus der Karton-Verpackung zu nehmen und den Karton gleich dort wegzuschmeissen. Ich kann auch die Folie von der Gurke direkt dort lassen oder andere Verpackungen. Wenn ich diese lieber mit nach Hause nehme, kann ich sie zu Hause sammeln. Ich selber sammele vor allem Papier. Vor meiner Haustür ist ein großer Container, in den ich das Papier werfen kann. Einmal pro Woche wird diese Tonne geleert. Dann gibt es in meinem Haus noch eine braune Tonne für Biomüll. Das sind Bananenschalen, Teebeutel oder anderer biologischer Müll. Dieser Müll wandert in den Kompost und wird wieder zu Erde.
Natürlich gibt es in meinem Haus auch noch eine so genannte Restmülltonne, aber da landet nicht mehr viel drin. Denn ich sammle zum Beispiel Dosen aus Aluminium und bringe sie zu einem Wertstoffcontainer um die Ecke. Dort kann ich auch alle Folien und Plastikbehälter hinbringen, oder grünes, weißes und braunes Glas. Um den Überblick nicht zu verlieren, haben viele Küchen verschiedene Müllbehälter, damit man das gleich dort sortieren kann.
Holz, Halogenlampen, Metallreste oder alte Möbel kann ich zu einem Wertstoffhof bringen, also einem Platz, wo diese Dinge dann entsorgt werden. Für manche Geräte muss man Geld bezahlen, um sie dort hinzubringen.
Und dann gibt es natürlich noch Second-Hand-Läden, wo man alte Bücher, CDs oder ähnliches hinbringen kann. Und die Dropshops, wo andere Menschen für einen Gegenstände bei eBay verkaufen. Aber das kennt Ihr bestimmt aus Eurer Heimat auch.
Sind wir Deutschen also verrückt? Ich weiß es nicht. Immer wieder hört man, dass es hier mittlerweile zu wenig „normalen“ Müll gibt, die Heizkraftwerke, das sind große Kraftwerke, in denen Müll verbrannt wird, bleiben also leer. Manche Deutsche recyceln daher mittlerweile keinen Müll mehr. Ich selber habe das schon in der Grundschule gelernt und kann nicht anders – mir tut es in der Seele weh, wenn ich Glas oder Papier in die normale Mülltonne werfe.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg12kurz.pdf
von Annik Rubens | 26. Juli 2007 | SG Podcast-Episode, Sprache
Ich weiß, Ihr wollt Deutsch lernen. Aber für all die von Euch, die sowieso schon Englisch sprechen, ist das gar nicht nötig. Denn viele unserer deutschen Begriffe sind gar nicht Deutsch, sondern Englisch. Wir finden Dinge cool und ziehen zum Fitnesstraining gerne ein stylishes T-Shirt an. Manchmal werden Trainingsstunden gecancelt, aber das kann auch passend sein, wenn man sowieso zu einem Meeting muss, weil man gerade ein Startup gelaunched hat.
Englische Wörter zu benutzen und sie mit der deutschen Sprache zu verbinden, finden viele vor allem junge Deutsche toll. Man nennt das Denglisch. In den vergangenen Jahren hat sich die deutsche Sprache insgesamt sehr verändert. Wenn das Telefon kaputt ist, hat man früher den Kundendienst angerufen. Heute ruft man den Service oder Support an oder gleich die Hotline.
Viel lustiger finde ich allerdings, dass es auch Scheinanglizismen gibt. Das sind Begriffe, die zwar Englisch klingen, die aber kein Engländer oder Amerikaner versteht. Das bekannteste Wort ist das Wort Handy. In Deutschland ist das Handy ein Mobiltelefon. Und ein Beamer ist bei uns nicht etwa ein Auto, sondern ein Projektor, um beispielsweise Powerpoint-Präsentationen auf der Leinwand zu zeigen. Ein Dressman ist für uns hier ein schöner Mann, also ein männliches Model. Und ein Oldtimer ist ein sehr altes Auto. Ein Showmaster ist ein Moderator, jemand, der eine Fernsehshow präsentiert. Und in Deutschland gibt es auch nicht nur Teenager, sondern auch Twens. Das sind dann die Leute zwischen 20 und 30.
Seid Ihr jetzt komplett verwirrt? Müsst Ihr nicht sein. Denn jede Sprache ist ein Gemisch aus verschiedenen Einflüssen. Wir haben ein Rendezvous, trinken gerne Capuccino und machen danach eine Siesta. Oder? Trotzdem – ich freue mich, dass Ihr Deutsch lernt und werde auch in den nächsten Wochen versuchen, Euch dabei zu helfen.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg11kurz.pdf