von Annik Rubens | 9. Dezember 2025 | Intern
Wir alle haben Vorurteile oder Stereotype. Das bedeutet, dass man über andere Menschen denkt, sie seien alle gleich. Man glaubt also, etwas über eine ganze Gruppe zu wissen, obwohl man nur wenige Personen kennt. Stell dir zum Beispiel einen Franzosen vor. Was siehst du? Du siehst einen Mann in einem gestreiften Oberteil mit einer Baskenmütze auf dem Kopf und einem Baguette unter dem Arm, oder? Wenn’s geht spielt er noch Akkordeon. Das ist das typische Klischee eines Franzosen. Wobei ich sagen muss: Ich habe sehr gelacht, als ich diesen Sommer in Frankreich war. Denn dort hatten abends wirklich viele Menschen ein Baguette unter dem Arm!
Vorurteile und Stereotype gab es schon immer. Früher reisten die Menschen viel weniger. Sie kannten andere Länder vor allem aus Erzählungen, aus Büchern oder von Händlern. Wenn jemand sagte: „Die Menschen in diesem Land sind so oder so“, glaubten das viele. So entstanden einfache Bilder im Kopf. Und viele halten sich bis heute.
Überleg mal, wie für dich der typische Deutsche aussieht. Was er macht. Was er trinkt. Was er gerne isst. Na, hast du ein Bild vor Augen? Gehen wir es mal durch! Mal sehen, ob ich erraten habe, an welche Vorurteile du gerade gedacht hast.
Ein bekanntes Vorurteil ist, dass alle Deutschen pünktlich sind. Es stimmt, dass Pünktlichkeit in Deutschland wichtig ist. Viele Menschen erwarten, dass Züge, Busse oder Verabredungen genau zur richtigen Zeit beginnen. Allerdings hat diese deutsche Charaktereigenschaft ein Problem: Sie passt nicht zur Deutschen Bahn. Die Deutsche Bahn ist leider bekannt dafür, dass sie ein Problem mit der Pünktlichkeit hat. Im Oktober 2025 hatte jeder zweite Fernzug in Deutschland Verspätung. Grund dafür sind viele Baustellen und das marode, also kaputte, Schienennetz.
Ein weiteres Stereotyp ist, dass Deutsche sehr ernst sind und nicht viel lachen. Viele Besucher sagen, Deutsche seien höflich, aber distanziert. Auch dieses Bild stimmt nur teilweise. Es gibt Menschen, die ernst sind, aber auch viele, die gerne Witze machen oder fröhlich sind. Oft braucht man in Deutschland einfach etwas Zeit, bis man jemanden gut kennt. Danach öffnen sich viele Menschen und sind herzlich. Das heißt aber nicht, dass Deutsche unfreundlich sind. Es ist nur eine andere Art, mit neuen Personen umzugehen. Gibt es also deutschen Humor? Ich sage: Ja. Ich kann über Kabarettisten wie Jochen Malmsheimer oder Loriot wirklich Tränen lachen.
Kommen wir dazu, wie Deutsche aussehen. Denkst du an Lederhose, Dirndl und Bierkrug? Viele Touristen denken noch heute, dass alle Deutschen so aussehen und jeden Tag Bier trinken. Dabei ist die Lederhose eine Tradition aus Bayern, also aus dem Süden des Landes. In vielen anderen deutschen Regionen trägt niemand solche Kleidung. Trotzdem ist die Lederhose weltweit ein Symbol für Deutschland geworden. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein kleiner Teil eines Landes plötzlich für das ganze Land steht. Kurios ist, dass manche Menschen aus dem Ausland bei ihrem Besuch in Berlin enttäuscht sind, weil dort kaum jemand eine Lederhose trägt. Sie hatten etwas anderes erwartet. Übrigens trinken die Menschen in vielen Regionen Deutschlands auch viel lieber Wein als Bier. Das kommt einfach darauf an, wo Weinberge existieren und wo eher Hopfengärten.
Auch innerhalb Deutschlands gibt es Stereotype über bestimmte Regionen. Zum Beispiel sagt man über Menschen aus Norddeutschland, dass sie ruhig und wenig gesprächig sind. Über Menschen aus Süddeutschland sagt man, sie seien besonders gemütlich. Solche Vorurteile können unterhaltsam sein, wenn man sie nicht zu ernst nimmt. Problematisch werden sie, wenn Menschen andere nur nach solchen Bildern beurteilen.
Viele Vorurteile entstehen, wenn man etwas nicht kennt oder wenn man Angst vor Neuem hat. Deshalb ist es wichtig, andere Menschen kennenzulernen und mit ihnen zu sprechen. Immer wieder nutzten politische Gruppen negative Stereotype, um Menschen zu trennen und zu verletzen. Heute versuchen viele Organisationen, Schulen und Projekte in Deutschland, über dieses Thema aufzuklären. Sie erklären, wie Stereotype entstehen und wie man sie erkennt.
Ich finde es seltsam zu sehen, wie Deutsche in Filmen oder Serien dargestellt werden. Eigentlich reden sie alle wie Adolf Hitler, oder? Sie sind selten freundlich, sondern meistens eher die Bösen. Ach ja, und noch ein Stereotyp muss ich hier mal aus dem Weg schaffen: Ich esse höchstens ein Mal pro Jahr Sauerkraut.
Jetzt bin ich aber vor allem gespannt, welche Vorurteile du über Deutschland hast. Oder gerne auch welche Vorurteile du früher hattest – aber jetzt nicht mehr! Schreib bitte in die Kommentare auf slowgerman.com!
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg312kurz.pdf
von Annik Rubens | 25. November 2025 | Kultur, SG Podcast-Episode
Freude, schöner Götterfunken. Sagen dir diese Wörter etwas? Vielleicht nicht. Aber die Melodie, die damit verbunden wird, kennst du mit Sicherheit. Es ist das Lied, das wir heute als Europahymne kennen. Heute erzähle ich dir mehr über dieses wichtige Stück klassischer Musik.
Der Text stammt von Friedrich Schiller. Er schrieb das Gedicht „An die Freude“ im Jahr 1785. Später überarbeitete er es noch einmal. Schiller war damals schon ein berühmter Dichter. Er liebte große Themen wie Freiheit, Freundschaft und Menschlichkeit. In der Ode „An die Freude“ wollte er zeigen, dass alle Menschen Brüder und Schwestern sind und zusammenhalten sollten.
Viele Jahre später entdeckte ein anderer sehr berühmter Mann dieses Gedicht für sich: der Komponist Ludwig van Beethoven. Er war fasziniert von Schillers Worten. Beethoven war selbst ein Mensch, der stark an die Kraft der Freiheit glaubte. Außerdem bewunderte er Schiller, weil dieser Mut zeigte und über wichtige gesellschaftliche Fragen schrieb. Beethoven wollte schon lange ein großes Musikstück schaffen, das die Idee von Gemeinschaft und Humanität ausdrückt. Als er die Ode „An die Freude“ las, wusste er, dass er diese Worte eines Tages vertonen würde.
Beethoven arbeitete viele Jahre an seiner Neunten Sinfonie. Als sie im Jahr 1824 in Wien uraufgeführt wurde, war Beethoven schon völlig taub. Er stand trotzdem am Dirigentenpult, obwohl er die Musik nicht mehr hören konnte. Am Ende des Konzerts sah er, dass die Menschen ihm begeistert applaudierten. Viele standen sogar auf. Die 9. Sinfonie war also von Anfang an ein großer Erfolg.
Der berühmte Chor mit dem Text der „Ode an die Freude“ erklingt im letzten Satz der Neunten Sinfonie. Für damalige Zeit war das etwas Besonderes. Eine Sinfonie mit einem Chor war ungewohnt. Heute gilt die Neunte Sinfonie als Meisterwerk. Der Chor mit der „Ode an die Freude“ ist der bekannteste Teil.
Interessant fand ich zu lesen, dass Schiller selbst sein Gedicht später gar nicht mehr so mochte. Er hatte das Gefühl, es sei zu übertrieben und zu pathetisch. Er hätte wahrscheinlich nie gedacht, dass seine Worte einmal von Millionen Menschen auf der ganzen Welt gesungen würden. Auch Beethoven wusste natürlich nicht, wie populär seine Musik einmal werden würde. Niemand konnte ahnen, dass seine Melodie Jahrhunderte später bei Sportereignissen, Konzerten und sogar auf Klingeltönen von Handys landen würde. Ich überlege oft, wie die längst verstorbenen Künstler es wohl empfinden würden, wenn sie ihren heutigen Erfolg sehen könnten. Gerade erst war ich in einem ausverkauften Rachmaninow-Konzert. Und das war ja ein Mann, der sehr an sich gezweifelt hat. Aber zurück zu Schiller und Beethoven. Denn die Geschichte dieses Stückes geht ja noch viel weiter.
Ein besonders wichtiger Moment in der Geschichte der „Ode an die Freude“ war nämlich das Jahr 1972. In diesem Jahr wurde die Melodie zur offiziellen Hymne des Europarats gewählt. Später, 1985, wurde sie auch die Hymne der Europäischen Gemeinschaft, aus der später die Europäische Union wurde. Das Besondere daran: Für diese Hymne wird nur die Musik verwendet. Es wird nicht gesungen. Man wollte damit zeigen, dass Europa viele Sprachen und Kulturen hat. Die Melodie steht für gemeinsame Werte, ohne eine Sprache zu bevorzugen.
Ich muss dir noch etwas erzählen, was ich selber gar nicht wusste. Ich habe es erst erfahren, als ich für diese Episode recherchiert habe: Die Melodie wurde in Japan zu einem Winterhit! Dort singen große Chöre jedes Jahr zum Jahresende Beethovens Neunte. Manche dieser Chöre bestehen aus mehreren Tausend Sängerinnen und Sängern. In Japan ist die Neunte so beliebt, dass einige Menschen sie sogar „Daiku“ nennen. Das bedeutet „Nummer Neun“. Wie genau diese Tradition entstanden ist, ist nicht ganz klar. Ich habe auf der Seite der BBC gelesen, dass diese Tradition im Ersten Weltkrieg entstanden sein soll. Damals gab es ein Kriegsgefangenenlager in Japan und dort waren deutsche Soldaten interniert. Und diese Soldaten spielten oft Musik, eben auch Beethovens Neunte. Nach dem Kriegsende gaben sie ein Konzert außerhalb des Gefängnisses. Das Stück wurde über die Jahre beliebter in Japan und 1940 wurde es bei einer Neujahrsaufführung gespielt. Auf der Seite slowgerman.com habe ich den Link zu einem Video für dich von 10.000 Sängerinnen und Sängern in Japan!
Mich hat es daran erinnert, dass ich als Kind mit meinen Eltern und Verwandten im Hollywood Bowl war. Dort gab es auch ein Konzert der „Ode an die Freude“, und meine Mutter und ich haben uns damals eher amüsiert. Denn die amerikanischen Sängerinnen und Sänger hatten nicht so ordentlich an ihrer Aussprache gearbeitet wie die aus Japan und es klang für uns einfach lustig, wie sie die deutschen Wörter aussprachen.
Dennoch finde ich es natürlich faszinierend, dass Menschen auf der ganzen Welt diese Melodie lieben und sogar den deutschen Text singen können! Noch ein paar Worte zum Text: Sei nicht frustriert, wenn du ihn nicht verstehst. Es ist Lyrik. Und es ist alt. Es ist auch für mich nicht alles gut zu verstehen. Die Freude ist zum Beispiel eine „Tochter aus Elysium“, also aus dem Paradies der Götter.
Dann schreibt Schiller: „Alle Menschen werden Brüder“. Dieser Gedanke war zur Entstehungszeit ziemlich radikal. Die Gesellschaft war streng in Klassen eingeteilt. Manche Menschen hatten viele Rechte, andere sehr wenige. Schiller stellte diese Ordnung mit seinem Gedicht offen in Frage. Für einen Dichter im 18. Jahrhundert war das mutig. Dass dieser Satz heute zu den berühmtesten Zeilen deutscher Dichtung gehört, zeigt, wie stark seine Wirkung ist. Und er ist leider nach wie vor aktuell, denn wir sind lange noch nicht an dem Punkt, an dem alle Menschen gleich sind.
Das alles wollte ich dir erzählen, in dieser Zeit der Krisen und Kriege. Wir müssen versuchen, Hoffnung zu haben. Anderen Menschen zu vertrauen. Wir sind alle Menschen auf der gleichen Erde. Es wird Zeit, dass wir gemeinsam leben und nicht gegeneinander kämpfen. Schön pathetisch, oder? Muss auch mal sein.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg311kurz.pdf
von Annik Rubens | 11. November 2025 | SG Podcast-Episode
Wie Du weißt, lebe ich in München. Und vor einer Woche durften die Menschen in München abstimmen. Die Frage war: Soll München sich für die Olympischen Sommerspiele bewerben? Ich persönlich war dagegen, aber die Mehrheit der Münchner stimmte dafür. Also bewirbt sich die bayerische Landeshauptstadt um dieses Spektakel. Mal sehen, ob es klappt. Mich hat es jedenfalls auf die Idee gebracht, eine Slow German-Episode über die Olympischen Spiele zu machen.
Die Olympischen Spiele sind eines der größten Sportereignisse der Welt. Alle vier Jahre treffen sich Sportlerinnen und Sportler aus fast allen Ländern, um gemeinsam zu zeigen, was sie können. Es soll dabei nicht nur um Medaillen gehen, sondern auch um Fairness, Respekt und Völkerverständigung. Das war schon die Idee der alten Griechen, die vor über 2700 Jahren die ersten Olympischen Spiele in Olympia veranstalteten. Vielleicht hast Du auch die Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris gesehen? Wie die Boote mit den Sportlerinnen und Sportlern über die Seine fuhren? Das war ein fantastisches Spektakel, oder?
Aber hier bei Slow German geht es natürlich vor allem um Deutschland. Deutschland hat eine lange Geschichte mit den Olympischen Spielen. Schon 1896, bei den ersten Spielen der Neuzeit in Athen, nahmen deutsche Athleten teil. 1936 fanden die Spiele in Berlin statt. Diese Spiele sind heute besonders bekannt, weil sie von der nationalsozialistischen Regierung für Propaganda genutzt wurden. Trotzdem gab es dort auch sportliche Höhepunkte, wie zum Beispiel den Sieg des afroamerikanischen Läufers Jesse Owens.
Doch die wohl bekanntesten Olympischen Spiele in Deutschland sind die von 1972 in München. Sie sollten ganz anders sein als die von 1936. Die Bundesrepublik Deutschland wollte der Welt ein neues, modernes, friedliches Land zeigen. Ein Land, das nach dem Krieg wieder aufgebaut war, freundlich und offen. Deshalb war das Motto dieser Spiele: „Heitere Spiele“.
Die Spiele in München begannen am 26. August 1972. Sie dauerten zwei Wochen. Das Olympiastadion war damals extra dafür ganz neu gebaut worden – mit einem durchsichtigen Zeltdach. Heute wird es renoviert, ebenso wie das Stadion, in dem seither übrigens sehr viele Open Air-Konzerte stattgefunden haben. Auch das Maskottchen von Olympia 1972 war fröhlich: ein bunter Dackel mit dem Namen „Waldi“. Das war das erste Mal, dass es bei Olympischen Spielen überhaupt ein offizielles Maskottchen gab. „Waldi“ war also ein echter Pionier!
München wurde für die Olympischen Spiele komplett umgebaut. Es gab ein eigenes olympisches Dorf, in dem die Sportlerinnen und Sportler wohnten. Viele dieser Gebäude werden bis heute genutzt. Allerdings finde ich sie eher hässlich, das sind Betonklötze, die aber 1972 als modern empfunden wurden. Manche der Gebäude wurden zu normalen Wohnhäusern, andere zu Studentenheimen umgebaut. Dazu gab es neue Straßen, U-Bahn-Linien und Sportanlagen.
Mit 121 teilnehmenden Mannschaften und 7170 Athleten stellten die Spiele von München einen neuen Teilnehmerrekord auf. Sportlich lief es für Deutschland sehr gut. Also für die Bundesrepublik Deutschland muss man sagen, denn das war vor der Wiedervereinigung. Besonders bekannt wurde der Schwimmer Mark Spitz aus den USA, der sieben Goldmedaillen gewann. Das war damals ein Weltrekord. Aber auch deutsche Athleten waren erfolgreich. Heide Rosendahl gewann Gold im Weitsprung und zusammen mit ihren Teamkolleginnen auch in der 4×100-Meter-Staffel. Der Turner Klaus Köste gewann Gold am Reck.
Doch so fröhlich die Spiele begonnen hatten, so tragisch wurden sie in der zweiten Woche. Am 5. September 1972 drangen acht Terroristen in das olympische Dorf ein. Sie gehörten zur palästinensischen Gruppe „Schwarzer September“. Sie nahmen elf Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln. Ihr Ziel war es, palästinensische Gefangene freizupressen. Die Situation dauerte fast den ganzen Tag. Am Ende versuchte die Polizei, die Geiseln zu befreien. Doch die Aktion scheiterte. Alle elf Israelis, ein Polizist und fünf Terroristen kamen ums Leben. Dieses Ereignis erschütterte die ganze Welt.
Trotzdem beschlossen die Veranstalter, die Spiele fortzusetzen. Sie wollten damit zeigen, dass Terror nicht siegen darf. Zwei Tage nach dem Attentat wurde eine große Trauerfeier im Stadion abgehalten. Der IOC-Präsident sprach damals den berühmten Satz: „The Games must go on.“ – „Die Spiele müssen weitergehen.“
Heute erinnern noch viele Orte in München an die Olympischen Spiele von 1972: Wir haben den Olympiapark, in dem man wunderbar spazieren gehen kann, das Olympiastadion mit seinem berühmten Zeltdach, den hohen Olympiaturm, der mittlerweile eines der Wahrzeichen der Stadt ist und von dem aus man eine wunderbare Aussicht über die ganze Stadt hat, den Olympiasee und das Olympiadorf.
Deutschland hat sich seitdem sieben Mal um Olympische Spiele beworben, aber bisher hat es keine weiteren bekommen. Jetzt will es sich für die Sommerspiele in den Jahren 2036, 2040 oder 2044 bewerben. Vier Städte oder Regionen sind ausgewählt worden: Berlin, Hamburg, München und die Region Rhein-Ruhr. Ende 2026 soll die Entscheidung fallen. Ich bin gespannt. Die nächsten Olympischen Sommerspiele werden 2028 in Los Angeles stattfinden, dann 2032 in Brisbane. Bist Du ein Olympia-Fan?
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg310kurz.pdf
von Annik Rubens | 28. Oktober 2025 | SG Podcast-Episode
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Als ich ein Kind war, haben wir mit der Schule einen Ausflug gemacht. Ein Bus kam und wir stiegen alle ein. Das Ziel war ein Römerkastell. Wir waren sehr aufgeregt. Was würden wir dort sehen? Eine große Burg? Ein Schloss? Eine Arena? Über eine Stunde lang waren wir unterwegs. Und als wir ankamen, war die Enttäuschung groß: Wir sahen nur ein paar Mauern. Mehr war von dieser römischen Siedlung nicht übrig geblieben. Warum ich Dir das erzähle? Weil ich heute mal in die Geschichte blicken will. Lass uns sehen, wie die Römer Deutschland geprägt haben. Denn vor fast zweitausend Jahren war ein großer Teil des heutigen Deutschlands Teil des Römischen Reiches oder stand zumindest unter seinem Einfluss.
Das Römische Reich dehnte sich im ersten Jahrhundert vor Christus immer weiter aus. Die Römer eroberten große Teile Europas, Nordafrikas und des Nahen Ostens. Auch die Gebiete nördlich der Alpen wurden interessant für sie, denn dort gab es fruchtbare Böden, Holz, Metalle und Handelswege. Die Römer nannten das Land der Germanen „Germania“.
Eine wichtige Grenze war der sogenannte Limes. Das war eine Linie aus Wachtürmen, Gräben und Mauern, die das Römische Reich von den Gebieten der Germanen trennte. Der Limes verlief quer durch das heutige Deutschland, von Rheinland-Pfalz über Hessen und Baden-Württemberg bis nach Bayern. Er war über 500 Kilometer lang. Heute kann man an vielen Orten noch Reste davon sehen, zum Beispiel in Aalen, Saalburg oder Regensburg. Der Limes ist sogar UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Römer gründeten viele Städte, die heute noch existieren. Trier, das damals „Augusta Treverorum“ hieß, war eine der wichtigsten römischen Städte nördlich der Alpen. Sie war sogar eine Zeit lang Hauptstadt des Weströmischen Reiches. In Trier kann man heute noch römische Bauwerke bewundern: die Porta Nigra, ein riesiges Stadttor, oder die Kaiserthermen, in denen sich die Römer gebadet haben. Ich war leider noch nie dort. Auch Köln wurde von den Römern gegründet – Mainz, Augsburg und Regensburg haben ebenfalls römische Wurzeln.
Die Römer brachten viele Dinge mit, die für die Menschen in Germanien neu waren. Zum Beispiel Wein. Vor den Römern trank man hier eher Bier oder Met. Aber die Römer pflanzten Reben an – besonders entlang des Rheins und der Mosel. Noch heute sind diese Regionen für ihren Wein bekannt. Auch Straßen und Brücken, wie sie die Römer bauten, gab es vorher nicht. Viele moderne Straßen in Süddeutschland verlaufen noch immer dort, wo früher römische Heerstraßen waren. Die Römer bauten gerade, feste Wege – perfekt für Handel und Reisen.
Auch in der Sprache gibt es römische Spuren. Das Lateinische, die Sprache der Römer, beeinflusste viele europäische Sprachen, auch das Deutsche. Das Wort „Fenster“ kommt zum Beispiel vom lateinischen Wort fenestra, „Keller“ von cellarium oder „Mauer“ von murus.
Die Römer brachten auch ihre Kultur und ihre Lebensart mit. Sie badeten regelmäßig, aßen gemeinsam in großen Speisesälen und liebten Theater und Spiele. In manchen deutschen Städten kann man noch die Reste von römischen Amphitheatern sehen, zum Beispiel in Trier oder Xanten. Dort kämpften Gladiatoren zur Unterhaltung des Publikums. Auch die römische Mode und Architektur beeinflussten die Menschen. Häuser mit Steinmauern, Ziegeln und Fußbodenheizung waren in Germanien vorher unbekannt. Viele dieser Techniken übernahmen später auch die germanischen Stämme.
Natürlich waren die Römer nicht überall beliebt. Es gab immer wieder Kämpfe. Nach dem Untergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert blieben viele seiner Spuren bestehen. Die Nachfolger der Römer, etwa die Franken, übernahmen vieles aus der römischen Verwaltung und dem Rechtssystem. Auch das Christentum, das im Römischen Reich verbreitet wurde, kam auf diesem Weg nach Deutschland. Ohne Rom gäbe es hier wohl keine Kirchen, Kathedralen und Klöster in der Form, wie wir sie heute kennen.
Ich kann mich erinnern, was mich bei meinem Ausflug zum Römerkastell in Eining besonders faszinierte: Die Römer hatten eine Fußbodenheizung. Wie schlau war das denn? Und die Lehrerin erzählte uns, dass die Römer gerne gemeinsam auf die Toilette gingen – unter den Sitzbänken gab es fließendes Wasser. Jetzt weißt du, was mich als Kind an den Römern fasziniert hat. Und Du? Was weißt Du über die Römer?
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg309kurz.pdf
von Annik Rubens | 14. Oktober 2025 | Persönlichkeiten, SG Podcast-Episode
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Ich habe letztens ein altes Familienfoto gesehen. Es zeigt Verwandte von mir vor ungefähr hundert Jahren oder mehr. Zu sehen sind ein grimmig dreinschauender Vater und eine sehr müde aussehende Mutter und viele, viele Kinder. Damals war es üblich, dass Frauen viele Kinder bekamen. Schuld war daran nicht nur die fehlende Verhütung, sondern auch die Kindersterblichkeit. Die Menschen wussten, dass viele ihrer Kinder nicht alt werden würden. Nur wenige schafften es bis ins Erwachsenenalter. Ich habe mir die Statistiken angesehen: Um das Jahr 1870 starb eines von vier Neugeborenen in seinem ersten Lebensjahr, also 25 Prozent. 1938 waren es noch 6 von 100 Lebendgeborenen, also nur noch 6 Prozent. Heute sterben nur noch etwa drei von 1.000 Kindern, also 0,3 Prozent. Das ist eine wahnsinnige Erfolgsgeschichte.
Und auch bei den Frauen gab es positive Nachrichten: Während früher sehr viele Frauen im sogenannten Kindbett starben, also bei der Geburt oder kurz danach, ist das heute nur noch sehr selten. Dafür gab es viele Gründe, und über einen Grund möchte ich Dir heute mehr erzählen. In dieser wahren Geschichte geht es um einen Mann namens Ignaz Semmelweis.
Ignaz Semmelweis war ein Arzt, der im 19. Jahrhundert lebte. Er wurde 1818 in Budapest geboren. Damals gehörte Ungarn noch zum Kaiserreich Österreich. Er studierte Medizin in Wien und entschied sich als Spezialfach für die Geburtshilfe, also für die Betreuung von Frauen, die ein Kind bekommen. Nach seinem Studium begann er in Wien im Allgemeinen Krankenhaus zu arbeiten. Das war eines der größten Krankenhäuser Europas, und viele junge Ärzte wurden dort ausgebildet.
Im Krankenhaus gab es zwei Geburtsstationen. In der einen Station arbeiteten Ärzte und Medizinstudenten, in der anderen Hebammen, die dort ausgebildet wurden. Die Frauen wollten alle lieber zu den Hebammen gehen, und das hatte einen wichtigen Grund: Auf der Station der Ärzte starben viele Frauen nach der Geburt – bei den Hebammen war diese Zahl viel geringer. Niemand wusste, warum das so war. Die Ärzte dachten, es liege vielleicht an der Luft oder an der Angst der Frauen. Damals gab es viele Theorien, aber keine Beweise.
Ignaz Semmelweis wurde neugierig. Er wollte den Grund dafür herausfinden. Eines Tages starb sein Freund. Er war Pathologe gewesen und starb kurz nach einer Verletzung, die er sich bei einer Obduktion zugezogen hatte. Eine Obduktion ist die Untersuchung eines toten Menschen um herauszufinden, woran er gestorben ist. Der Freund hatte sich bei einer Untersuchung an der Hand verletzt, und kurz danach bekam er dieselben Symptome wie die Frauen, die im Krankenhaus nach der Geburt starben. Da hatte Semmelweis eine Idee: Vielleicht hatten die Ärzte etwas von den Toten auf die gebärenden Frauen übertragen. Die Ärzte machten nämlich Obduktionen, also Leichenuntersuchungen, und gingen danach ohne sich die Hände zu desinfizieren zu den Geburten. Hygiene galt als Zeitverschwendung. Manche wuschen sich nichtmal die Hände mit Wasser und Seife. Niemand fand das damals merkwürdig, es war ganz normal. Über Bakterien und andere Krankheitserreger wusste man damals noch nichts.
Semmelweis wollte herausfinden, ob seine Theorie richtig war. Er sagte den Ärzten und Studenten, dass sie sich die Hände mit einer Lösung aus Chlorkalk waschen mussten, bevor sie in die Geburtsstation gingen. Und plötzlich geschah etwas Erstaunliches: Die Zahl der toten Frauen sank sehr schnell. Innerhalb weniger Monate starben fast keine Frauen mehr am sogenannten Kindbettfieber. Das war ein riesiger Erfolg.
Hat man Semmelweis dafür gefeiert und belohnt? Nein. Im Gegenteil. Die Ärzte glaubten ihm nicht. Sie fühlten sich angegriffen. Denn die Theorie sagte ja im Grunde, dass sie selbst schuld waren am Tod vieler Frauen. Das wollte natürlich kein Arzt hören. Außerdem konnte Semmelweis nicht wirklich erklären, warum das Händewaschen half – Bakterien waren noch nicht entdeckt. Erst später, durch die Arbeiten von Louis Pasteur, verstand man, dass winzige Lebewesen Krankheiten verursachen können. Doch Semmelweis hatte das Problem schon vorher gelöst, einfach durch Beobachtung und ein Experiment.
Er versuchte, seine Ideen bekannt zu machen, schrieb Briefe und Artikel, später sogar ein Buch über seine Erfahrungen. Aber viele Leute lachten über ihn. Er wurde nicht ernst genommen. Heute weiß man, dass er mit allem recht hatte, doch zu seiner Zeit war er ein Außenseiter.
Nach einigen Jahren verließ Semmelweis Wien und ging zurück nach Budapest. Dort arbeitete er weiter als Arzt und führte das Händewaschen auch in der Geburtsstation seiner Heimatstadt ein. Wieder sanken die Todesfälle deutlich. Trotzdem bekam er keine Anerkennung. Viele seiner Kollegen mieden ihn, und er wurde immer einsamer. Gegen Ende seines Lebens war er sehr verbittert und krank. 1865 wurde er in eine psychiatrische Klinik gebracht, wo er nur wenige Wochen später starb – vermutlich an einer Blutvergiftung, also genau an der Krankheit, die er so oft verhindern wollte.
Erst Jahre nach seinem Tod erkannte die Welt, wie wichtig seine Entdeckung war. Heute gilt Ignaz Semmelweis als einer der Väter der modernen Hygiene. Händewaschen und vor allem die Hände zu desinfizieren gehört heute zu den einfachsten und wichtigsten Regeln der Medizin. Was heute selbstverständlich ist, war zu den Zeiten von Ignaz Semmelweis undenkbar. Gut, dass wir Menschen manchmal klüger werden und dazulernen.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg308kurz.pdf