Das Dirndl ist ein traditionelles Kleid für Frauen aus dem Süden von Deutschland, besonders aus Bayern. Aber es ist auch in Österreich zu finden. Es besteht aus einem Kleid, einer Schürze und einer Bluse. Die Farben und Muster sind oft sehr bunt und schön. Das Dirndl ist heute ein Symbol für die bayerische Kultur. Viele Menschen tragen es zum Beispiel auf dem Oktoberfest. Aber das war nicht immer so.
Früher war das Dirndl ein Arbeitskleid. Im 19. Jahrhundert trugen es Dienstmädchen und Bäuerinnen auf dem Land. Der Name „Dirndl“ kommt vom bayerischen Wort für Mädchen. Eigentlich hieß das Kleid „Dirndlgewand“, also das Gewand oder Kleid der Dirn, also des Mädchens. Später sagte man nur noch „Dirndl“.
Das Dirndl war praktisch. Die Frauen konnten darin gut arbeiten. Es war einfach zu nähen, und man konnte es waschen. Die Schürze schützte das Kleid vor Schmutz. Je nach Region und Arbeit sahen die Kleider unterschiedlich aus. In den Bergen waren sie oft aus Wolle. Im Flachland eher aus Baumwolle oder Leinen.
Im Laufe der Zeit wurde das Dirndl nicht nur für die Arbeit genutzt. Reiche Menschen aus der Stadt entdeckten es für sich. Um 1900 fuhren sie in den Urlaub in die Alpen. Dort wollten sie auch so aussehen wie die Leute auf dem Land. Aber natürlich trugen sie feinere Stoffe und schöne Stickereien. Das einstige Arbeitskleid wurde plötzlich modisch. Und das ist kein Wunder, denn es betont die Figur der Frau. Das Dekolleté wird durch die Bluse und das geschnürte Mieder schön präsentiert. Die Taille durch die Schürze. Und die Beine sind unter dem weiten Rock versteckt.
In der Zeit des Nationalsozialismus bekam die Tracht, also die traditionelle Kleidung, eine neue Bedeutung. Die Nazis förderten die Trachtenkultur. Sie wollten damit die „deutsche Volkskultur“ zeigen. Das Dirndl wurde zu einem Symbol für die „deutsche Frau“. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es deshalb eine Zeit lang nicht sehr beliebt.
Erst später kam es zurück – als Zeichen der regionalen Identität. Besonders in Bayern ist das Trachtenkleid heute wieder sehr beliebt. Auf dem Oktoberfest in München tragen es viele Frauen. Es gibt dort sogar Wettbewerbe, bei denen das schönste Kleid gewählt wird. Auch Männer tragen auf dem Oktoberfest traditionelle Kleidung – die Lederhose. Lustig ist, dass manche dieser Menschen, die wie absolute Einheimische aussehen, zum Beispiel japanische oder australische Touristen sind, die sich für diesen Oktoberfestbesuch neu eingekleidet haben. Es wird in München viel darüber diskutiert, ob das gut ist oder nicht. Sollen nur Menschen eine Tracht tragen, die auch aus der Region stammen oder dort leben?
Übrigens verbirgt sich hinter dem Dirndl auch eine eigene Sprache. Die Position der Schleife auf der Schürze zeigt, ob eine Frau Single ist oder nicht. Wenn die Schleife rechts gebunden ist, heißt das: vergeben oder verheiratet. Links bedeutet: Single. In der Mitte kann heißen: Jungfrau oder unentschlossen. Und hinten? Früher trugen Witwen oder Kellnerinnen die Schleife hinten.
Manche Dirndl kosten übrigens über 1.000 Euro. Sie sind handgenäht und aus hochwertigen Stoffen. Es gibt aber auch günstigere Varianten für unter 100 Euro. Rund um das Oktoberfest gibt es viele Pop-Up-Läden, die extra günstige Tracht an Touristen verkaufen.
Auch die Haare und der Schmuck gehören zum Trachten-Look. Viele Frauen flechten ihre Haare oder tragen einen Blumenkranz. Beliebt sind auch sogenannte „Charivaris“ – das sind silberne Ketten mit Anhängern, die oft aus Tierzähnen oder kleinen Münzen bestehen. Früher war das ein Schmuck für Männer, heute tragen ihn auch Frauen.
Und der Stil? Manche Kleider sind sehr traditionell. Sie folgen den alten Mustern und Regeln einer bestimmten Region. Diese nennt man dann „Trachtendirndl“. Andere sind modern und kurz, in grellen Farben oder sogar mit Glitzer. Es gibt sogar Dirndl mit Leopardenmuster.
Und wie ist es hier in München? Die meisten meiner Freundinnen haben mindestens ein Dirndl im Schrank. Sie tragen es nicht nur zum Oktoberfest, sondern zum Beispiel auch, wenn sie auf Hochzeiten oder andere Feste eingeladen sind. Oft wird die Tracht auf Einladungen sogar explizit gewünscht. Ich selber hatte seit meiner Kindheit kein Dirndl an.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg301kurz.pdf