von Annik Rubens | 21. November 2017 | SG Podcast-Episode, Sprache
Jede Jugend hat ihre eigene Sprache. In der Jugendsprache werden neue Wörter erfunden, manchmal andere Betonungen oder Akzente nachgeahmt. Natürlich gibt es keine deutschlandweite Jugendsprache – jede Gruppe erfindet ihre eigene Sprache. Die Erwachsenen verstehen dann manchmal nur Bahnhof – also gar nichts.
In meiner Teenagerzeit haben wir „geil“ gesagt, wenn wir etwas toll fanden. Ich erinnere mich noch daran, dass meine Mutter damals erschrocken ist, als ich das gesagt habe. Für sie war das ein Schimpfwort. „Geil“ bedeutete nämlich eigentlich, dass man große Lust auf Sex hat. Wir Teenager wussten das nicht, für uns hieß geil einfach nur super. Das zeigt, dass sich die Sprache verändert – Wörter wie prima, knorke, dufte bedeuteten früher ebenfalls „super“, benutzt aber heute kaum noch jemand. Die Steigerung von „geil“ war dann übrigens „endgeil“ – das hört man heute noch ziemlich oft auf der Straße.
Es gibt übrigens jedes Jahr auch das Jugendwort des Jahres. Es wird seit 2008 von einer Jury ausgewählt. 2012 war das „YOLO“, die Abkürzung für „You Only Live Once“. Bei mir hieß das noch „Carpe Diem“, also nutze den Tag. YOLO ist Netzjargon, diese Abkürzung kommt aus der Internet-Welt.
2015 landete auf dem zweiten Platz das Wort „merkeln“ – also wie unsere Kanzlerin Angela Merkel nichts tun, keine Entscheidung treffen. Böse, oder? In diesem Jahr wurde es „I bims“ – das ist eigentlich weniger Jugendsprache als Internet-Sprache. Es gab eine Witzreihe, die die deutsche Sprache ziemlich verhunzte. Aus „Ich bin’s“ wurde „I bims“.
Gerne werden natürlich englische Begriffe in die Jugendsprache übernommen – zum Beispiel „chillen“, wenn man sich ausruhen möchte und nichts tun. Gerne erfinden die Jugendlichen auch politisch inkorrekte Schimpfwörter. Sie beschimpfen andere Teenager als „Mongo“ oder „Spasti“ – beides bezieht sich auf angeborene Gendefekte oder Behinderungen. Klar – Jugendliche provozieren gerne. Und manchmal denken sie auch einfach nicht darüber nach, was sie da sagen. Wenn etwas kitschig oder gefühlvoll ist, bezeichnen sie es auch gerne als „voll schwul“, also homosexuell.
Jugendlichen ist oft auch die Grammatik egal: „Gehst du Bus“ anstatt „Gehst Du zum Bus?“ sind dann normal. Diese Art zu sprechen hat oft etwas mit multikulturellen Gegenden zu tun, also mit Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. „Kanak Sprak“ wird das auch gerne genannt, also Deutsch mit türkischen Einflüssen. Das finden wiederum deutsche Jugendliche so cool, dass sie auch so sprechen. Habt Ihr es gemerkt? Ich habe „cool“ gesagt. Früher Jugendsprache, heute sagt’s jeder. Das Gegenteil ist übrigens uncool.
Viele Jugendsprache-Wörter haben die Erwachsenen mittlerweile übernommen. Wenn ein Haus zum Beispiel heruntergekommen ist, also dreckig und lange nicht renoviert, dann ist es „abgefuckt“. Kommt natürlich aus dem Englischen, würde aber kein Engländer mehr verstehen. Ein deutsches Wort aber ebenso Jugendsprache für das gleiche ist „versifft“. Wenn jemand „breit“ ist oder „hackedicht“, ist er betrunken. Wenn wir uns schlecht über jemanden äußern, dann „dissen“ wir diese Person. Gerne werden Wörter auch einfach abgekürzt, aus „funktionieren“ wird „funzen“, aus „telefonieren“ wird „telen“. Oft ist schwer nachzuvollziehen, woher das neue Wort kommt: „Hammer“ steht für gut, „Pfosten“ für eine dumme Person, gesteigert wird das gerne auch in „Vollpfosten“.
Und das letzte Wort für heute: „vorglühen“. Könnt Ihr Euch vorstellen, was das bedeutet? Es bedeutet, dass man Alkohol trinkt, bevor man zu einer Party geht, um in Stimmung zu kommen. Oft auch, um Geld zu sparen, weil der Alkohol zu Hause billiger ist als in einer Bar.
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg151kurz.pdf
von Annik Rubens | 20. Juni 2011 | SG Podcast-Episode, Sprache
Ich habe auf der Facebook-Seite von Slow German eine Umfrage gemacht. Dort habe ich Euch gefragt, welches Thema ich als nächstes behandeln soll. Mit großer Mehrheit habt Ihr Euch für die Umgangssprache entschieden.
Ich muss aber sagen, dass es gar nicht leicht ist, über die Umgangssprache zu sprechen! Was ist eigentlich Umgangssprache? Natürlich hat jede Region bestimmte Wörter, die man nie geschrieben sieht, sondern nur gesprochen hört. Aber das ist doch dann eher ein Dialekt, oder? Das wollte ich hier also eigentlich nicht zum Thema machen, um Dialekte wird es in einer anderen Episode gehen. Dann gibt es Anglizismen, die auch in der Umgangssprache vorkommen – aber dafür gibt es ja schon die Folge über Denglisch.
Nach langem Überlegen dachte ich mir, ich werde Euch einfach ein paar Beispiele für Umgangssprache nennen. Also für Wörter, Sätze oder Formulierungen, die in der Schriftsprache eigentlich nie auftauchen, die man aber hört, wenn man in Deutschland Menschen belauscht. Angenommen, wir sind in einer U-Bahn. Es ist Samstag, später Abend, und viele Leute sind unterwegs. Da sagt eine junge Frau: „Ich werde heute nicht mehr alt.“ Das klingt eigentlich so, als würde sie Selbstmord begehen, oder? Aber nein, keine Angst. Was sie sagen will ist: Ich bin müde, ich gehe bald ins Bett, ich halte nicht mehr lange durch heute.
Dann hören wir zwei Teenagern zu. Einer sagt: „Willst Du noch eine Runde daddeln?“ Damit will er seinen Kumpel fragen, ob er noch ein wenig computerspielen möchte. Der andere sagt: „Nee. Was kommt denn heute in der Glotze?“ Nee ist umgangssprachlich für Nein. Und die Glotze ist der Fernseher. „Ich will heute Abend glotzen“ heißt also: „ich will heute Abend fernsehen“. In manchen Regionen sagen die Menschen übrigens nicht fernsehen, sondern fernschauen. Oder noch schlimmer: Fernsehen schauen.
Wir lauschen weiter den Menschen in der U-Bahn. Ein Mann sitzt betrunken in einer Ecke. Da hören wir eine junge Frau zu ihrer Freundin sagen: „Schau mal, der ist total blau“. Obwohl seine Gesichtsfarbe natürlich ganz normal aussieht. Wenn die Freundin nicht versteht, was das bedeuten soll, sagt die junge Frau: „Du stehst aber ganz schön auf dem Schlauch“. Das heißt, es dauert zu lange, bis sie es versteht. Die Frau findet das nicht nett, sie hält ihre Freundin für verrückt und sagt: „Du hast eine Meise“. Wenn sie aber nur schlechte Laune hat, ohne Grund, dann ist sie vielleicht mit dem falschen Fuß aufgestanden. Das sagt man so. Das ist eine Redewendung – aber auch darüber müssen wir in einer anderen Folge mal ausführlicher sprechen.
Es gibt einige Ausrufe, die typisch sind für die Umgangssprache. Boah ey zum Beispiel. Das ist ein Ausdruck des Erstaunens, der hauptsächlich von Jugendlichen zu hören ist. Sehr gebildet oder klug klingt das übrigens nicht. Als Bestärkung kann man sagen: „Das gefällt mir eh nicht“. Das „eh“ steht dabei für sowieso. Oder ein Fragewort, das vor allem in Süddeutschland oft gebraucht wird: „Es ist schön heute, gell?“ Das „gell“ heißt so viel wie „nicht wahr?“ oder „meinst Du nicht auch?“.
Typisch in der Umgangssprache ist es natürlich auch, neue Wörter zu finden. Aus dem Hund wird ein Köter oder eine Fußhupe. Aus der Katze ein Stubentiger. Aus Brüsten werden Möpse, aus Geld wird Kohle. Wer lernen muss, der paukt. Obwohl das nichts mit der Pauke, also einer großen Trommel, zu tun hat. Wer schnell viel isst, der mampft. Das ist ein schönes Wort, finde ich, da es sich so anhört wie jemand, der mit vollen Backen kaut. Mampfen.
Und weil man in der Umgangssprache zu faul ist, lange Wörter auszusprechen, werden sie einfach abgekürzt. Die Lokomotive wird zur Lok, das Abitur zum Abi und die Mathematik wird zu Mathe.
Natürlich verändert sich die Umgangssprache über die Jahre. Wer früher, also vor 50 Jahren, etwas gut fand, der sagte dazu dufte, prima oder famos. All diese Wörter verwendet heute leider niemand mehr. Ein Teenager war damals ein Backfisch. Schön, oder? Heute ist etwas eher cool oder toll. Oder geil. Das ist ein Wort, das die Jugendlichen alle benutzen – die älteren aber zucken zusammen, weil es früher einen sexuellen Kontext hatte. Welchen? Das müsst Ihr selber nachlesen.
Das war Slow German für heute. Weitere Informationen findet Ihr unter slowgerman.com, dort könnt Ihr die Texte zu den Folgen als PDF herunterladen, dazu noch Lernmaterial, und alle alten Folgen, und dort findet Ihr auch die Links zu Facebook und Twitter – und Informationen, wie Ihr diesen Podcast unterstützen könnt, damit ich noch mehr Episoden produzieren kann. Viel Spaß beim Deutsch lernen! Eure Annik
Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg62kurz.pdf